Sommer und Herbst Der Dichter und der große Pan Der Mittag glüht, Die Glieder ermatten. Hier am See im Olivenschatten, Wo der Thymian blüht, Werf' ich mich hin. Die Lazerten huschen davon, Grille, die luftige Springerin, Schnellt hinweg mit surrendem Ton, Dann alles wieder stumm. Des Ölbaums silberne Blätter Und dort der Tamariskenstrauch Wie erzgegossen; – nirgend ein Hauch! Ewige Götter, Wie schön ist eure Welt ringsum! Fernab von diesem Heiligtum Der Menschen bunte Lüge, Ihre arme Liebe, ihr ärmerer Haß. Hier wehn der alten Mutter Atemzüge. Beseligend ihr Kind, Das aus dem Quell des Schlummers Kraft gewinnt Und aller Wünsche Genüge. Drüben über der blauen Flut Wie hebst du feierlich dein Haupt, Alter Monte Baldo, tief entlaubt Von Winters stürmender Wut! Er schläft, der Alte. Auf seiner Stirn die graue Falte Scheint sich im Traume zu bewegen. Die Füße kühlt er in der klaren Flut Und blickt so sanft, als sei ihm wohl zumut. Wie aber? seh ich recht? Beginnt er sich zu regen? Er blinzt der Sonne still entgegen – Ein Wesen von der Himmlischen Geschlecht, Erhaben, mild und groß! O du dort drüben, sag an, Wer bist du, herrlicher Koloß? Ich bin der große Pan. Was störst du meinen Mittagsfrieden? O heilig Glück, daß mir beschieden, Zu schaun, was nur die frommen Alten sahn. So lebst du noch, Erhabner du, Waltest in stiller Segensruh Der Welt und ihrer Zwergengeschöpfe, Die dein vergessend sich weise dünken? Kindisch betrogene Tröpfe! Keiner der Ewigen kann versinken, Keiner vergehn. Haben sie Augen nicht, um zu sehn, Ohren, zu hören? Und lassen lieber sich betören Von jener Glocken dürftigem Gebimmel, Die dort herab vom Kloster schallen, Träumen sich einen neuen Himmel, Den Weihrauchdüfte widerlich durchwallen, Statt hier in Lorbeerhallen Den Hauch zu trinken der reinen Flut? Armselige Brut! Rede mir nicht von ihnen. Doch mir – wie bist du mir erschienen, Verborgner, wundersamer Gott? Deine Seele ist rein von Spott. Ich sah dich oft an dieser Küste schweifen, Jetzt in Verzückung stille stehn, Ein duft'ges Blatt vom Baume streifen Und staunend, jauchzend weitergehn. Nur Deinesgleichen haben mich gesehn Zu allen Tagen; Darfst aber nichts davon den Spöttern sagen. Doch tätst du's auch, sie blieben dennoch blind. Fürwahr, ich dünke mir ein Sonntagskind! Sonntag? Was meinst du nur? Geht nicht die Sonne jeden Tag uns auf Und zeigt in ihrem Lauf Geheim' und offenbare Wunder? Meinst du den Tag, wo jene Glocken klingen, Wo sie vor ihrem Götzenplunder Die unverstandnen Opfer bringen? Doch nichts davon! Es stört den Schlaf mir nun, Den jeder braucht, der wirken soll. Nur diese Stund' ist mir erquickungsvoll. Nachts, wenn die andern Götter ruhn, Hab' ich erst eben recht zu sorgen, Alle Wesen zu ihren Werken Mit neuem Lebenshauch zu stärken; Kommt dann der Morgen, Sah Keiner mein geheimes Tun. Und willst du Güt'ger nun Dich ewig meinem Aug' entziehn? Du arglos Kind! Blick auch in Zukunft nur Mit stiller Brust ringsum in die Natur Und such den Alten: sicher findst du ihn. Aber nur in der stillsten Stunde Wird das Auge dir aufgeschlossen, Sonst tausendfach zerstückelt in der Runde Ist die Gestalt des großen Pan zerflossen. Nur selten sinkt dem Menschenkinde, Das fromm den Ew'gen sich vertraut, Vom Aug' die dichte Nebelbinde, Daß er das Unerschaffne schaut. Lebwohl für heut! Die Welle schäumt Und wiegt mich neu in Schlummer. Hab' noch nicht ausgeträumt! Süß ist die Ruh! – – Und wieder nun in stummer, Versteinter Majestät blickt er mich an. Pan! großer Pan! – Kein Nicken mehr, kein Ton! Wie? schläft er schon? War's wirklich Götterwort, das ich vernahm, Oder ein Traum, verwundersam? Mein alter Monte Baldo dort, Schlaf ruhig fort! Horch, es schauert leis in den Bäumen – Ein Kräuseln furcht den See – Spürten auch sie des Gottes Näh'? Still! Laß uns ruhn und träumen!