An Karl Stielers Grab 15. April 1885 So ist's denn wahr? wir senkten dich hinab, Du lebenswarmes Herz, ins kalte Grab? Stumm ward so bald der frohe Sängermund? Der Wandrer rastet zu so früher Stund'? Nie singst du mehr dein muntres: Weil's mi freut! Dein jauchzend keckes Trutzlied: Habt's a Schneid? Das Aug erlosch, das dieser Berge Ring Mit freud'gem Aufblick tausendmal umfing! Hier, wo du oft hinflüchtetest, zu ruhn, Die letzte enge Ruhstatt fandst du nun, Und Greise, die dich noch als Knaben sahn, Sie werden wankend deinem Hügel nahn Und leise sprechen: Hab' ihn auch gekannt, Den Stieler Karl – der hatt' ein Herz fürs Land! Doch wir, die Freunde, wenn wir tränenvoll Dir brachten unsrer Liebe letzten Zoll, Wir gehn hinweg und lassen dich allein, Und nie mehr, nie mehr trittst du bei uns ein! Wie sonnig war dein Aufgang, klar und schön! Du schrittst mit freier Stirn auf Lebenshöhn Und warfst vom Gipfel überm Bachgebraus Dein helles Lied weit in das Land hinaus. Des Volkes Herzschlag war dir früh vertraut Und heimisch deinem Ohr sein tiefster Laut. In Lust und Leid, in Trutz und Übermut Wie rein dein Ernst, wie klang dein Lachen gut! Und wo du sangst, da trug der Widerhall Von Herz zu Herzen den willkommnen Schall, Ja, über deines Stammes Marken weit Scholl deines Hochlandsliedes Lieblichkeit, Daß, wo die Ostsee blaut, das Nordmeer rauscht, Man diesem Fremdling hingerissen lauscht', Und wo er gastlich pocht' an eine Tür, Mit offnem Arm die Liebe trat herfür. Doch er, bescheiden, schlicht, von echter Art, Heim sehnt er sich auf jeder Ruhmesfahrt. Nun, lieber Wandervogel, trägt ans Meer Zu keinem Gastfreund dich die Schwinge mehr, Der Frühling naht, die Halde grünt ringsum, – Dein Flügel brach, und deine Brust ist stumm. Nein, nur ein armer Trost ist's, der uns blieb: Jung müsse scheiden, wer den Göttern lieb! Ein Baum, im frischen Saft vom Blitz gefällt, Mag herrlich dünken einer fremden Welt; Doch wer geruht in seinem Schatten oft, Stets neue Frucht vom neuen Herbst gehofft, Der senkt mit Recht in bittrem Leid das Haupt, Wenn seinen Liebling ew'ger Frost entlaubt. O schön ist's, durch ein langes Leben gehn, Die Saat, die jung man säte, reifen sehn, Heranblühn seiner Kinder zarte Schar, Des Weibes Locke, die einst golden war, Sich silbern färben sehn und im Gemüt Die Jugend hüten, welche nie verglüht! Dir ward's versagt! Wir rufen bang: Warum? Ins Grab dir nach – sein dunkler Mund bleibt stumm. Doch in uns lebt noch dein beseeltes Wort, Dein edler Sinn und deine Treue fort. In jedes Festes traulichem Verein Wirst du uns fehlen – und wirst bei uns sein. In mancher Stunde, einsam durchgewacht, Grüßt uns dein stilles Bild mit Liebesmacht; Und führt das Leben uns in Wohl und Weh Hieher zurück nach deinem Tegernsee, Dann wird uns sein, als hüte diese Gruft Ein Geist, der zu uns spräch' im Hauch der Luft: Von seinen Lippen klang des Volks Gemüt, Ein Quell vom Hochland rauschten seine Lieder. O seid getrost! Erwachen wird er wieder, So oft der Lenz in seinen Bergen blüht!