Der Mond stand überm Palatin. Wie ich Der Mond stand überm Palatin. Wie ich Hinaufkam, weiß ich nicht. Das hohe Tor War offen, ohne Wächter. Eine Stimme Sprach in mir: Geh hinauf! Du findst ihn dort! Doch langsam, denn mir klopfte stark das Herz, Stieg ich die dunkle Treppenflucht hinan Und stand nun auf der Höhe, rings um mich, Was von der Hofburg der Cäsaren blieb: Nur Stein und Schutt, der Gold- und Marmorhülle Beraubt, wie nacktes Knochenwerk, von dem Hinweggemodert längst das blühnde Fleisch. Gewaltig in den veilchenblauen Äther Zur Rechten mir erhob das Kolosseum Die dunkle Stirn, durch seine leeren Bogen Quoll goldner Schein; genüber ragt' empor Des Friedenstempels dreigeteilte Cella, Geheimnisdunkel; dran vorüber sah ich Mondblitze, schlanken Silberpfeilen gleich, Von Säul- zu Säulenstumpf des alten Forums Sich schwingen und vom steilen Kapitol Abprallend in der Nebeldämmrung schwinden. Das sah ich mit dem äußern Auge nur Und ungerührt. Stieg ich doch nicht hinauf, Mich am Erhabensten der Welt zu weiden, Nur weil es in mir sprach: du findst ihn dort! So wandt' ich mich und wandelte den Pfad Vorbei dem Hause des Caligula Und dem Palast der Flavier, bis zum Rand Des Hügels, wo in sanften Duft gehüllt Das Haupt des Aventin herübersah. Wie Geisteratem leise ging die Luft, Und jeder Stein und jeder zarte Sproß Der Bäum' und Sträucher schien zugleich dem Blick So deutlich und so märchenhaft, daß mir In wunderlichem Graun die Seele bebte. Da, wie die Augen ziellos sich ergehn, Auf jener Wiese, zwischen Lorbeerbüschen Und wilden Rosen – heil'ge Götter! was Erblick' ich! – Ist er's? – Das geliebte Kind – Es sitzt mir abgewandt – mit blassen Händchen Pflückt's auf dem mondbeglänzten Rasenteppich Die zarten Anemonen und Tazetten, Der Totenblume glockengoldne Sprossen, Und windet eifrig sie in einen Kranz. Ein Schrei entringt sich mir – da wendet er Das Haupt – er ist's! – und sieht mich, und die Blumen Vom Schoße schüttelnd springt er hastig auf Und mir entgegen, steht dann plötzlich still, Scheu, als besänn' er sich auf ein Verbot. Ich aber fasse mir ein Herz: Mein Kind, Mein holdes Leben! stamml' ich. Doch er schüttelt Wehmütig ernst das Haupt, als woll' er sagen: Was sprichst du! Leben? Das ist hin! – Und langsam Nimmt er die Blumen auf und ordnet sie In einen Strauß, winkt dann geheimnisvoll Und geht voran. Auf einmal ward das Herz Mir seltsam leicht und froh, als gingen wir Wie sonst spazieren und betrachteten Mit hellen Augen rings die Welt. Wo willst du Nur hin? begann ich. Willst du deinen Strauß Der Mutter bringen? – Und er nickt' und sah Mit einem traurig stillen Blick mich an – Es war, als wollt' er plötzlich an die Brust Mir stürzen, mich zu bitten: nimm mich mit, Zurück ins Leben! Wo ich jetzt verweile, Ach, ist's so schaurig kalt und liebeleer! – Doch er bezwang sich, hob das Fingerchen, Wie um zu mahnen: denk nicht drüber nach, Wie all das ist; es bräche dir das Herz! – Und so verstummt' ich. Ach, die Augen hingen, Sich nicht ersättigend, an dem lieben Antlitz. Noch feiner schien es, reifer noch, zugleich Noch weit unschuld'ger, rührender, nur daß Es nicht mehr glänzt' in süßem Übermut. Und näher schmiegt' er sich an mich. Doch nur Der Duft berührte mich von seinem Strauß, Nichts von ihm selbst. So, unvermerkt hinab Vom Palatin hatt' er mich weggeführt, Und scherzend sagt' ich: Weißt du denn Bescheid Im fremden Rom? Willst du am Kapitol Die Wölfin sehn? Er aber schwieg und ging Voran mit leichtbeschwingtem Schritt, das Haar Umwehte Stirn und Schläfen seidenweich – O wie er lieblich war! – So schritten wir Die totenstillen Gassen traulich hin. Nur meines Schrittes Echo klang, und dort Der große Brunnen rauschte. Sieh nur, sagt' ich, Dies ist der Trevibrunnen. Möchtst du wohl Auf diesen Wasserpferden reiten, Kind? – Da lächelt' er, zum erstenmal. Und weiter Rastlos den langen Corso ging's hinab. Und als wir jetzt dem Hause nahten, wo Die ärmste aller Mütter schlief, – doch nein, Sie wachte; durch die Läden schimmerte Die Lampe noch – da blieb er stehn und sah Still zum Balkon hinauf. Unschlüssig schien er, Ob er die Schwelle wohl betreten dürfe. Und ich: ach, wenn die Zwei sich wiedersehn, Er nimmt sie mir mit fort! – Da sah ich, wie er Rasch vor der Tür die Blumen niederlegte, Dann, gleich als ob er Eile habe, winkt' er Mir zu, und durch das monderhellte Tor Des Volkes führt' er mich und nach der Villa Borghese, und wir schritten frei hinein. Wie zauberherrlich breiteten die Wiesen, Von Pinienwipfeln dunkel überschattet Und rings von Säulen, Brunnen, Marmorbildern Durchschimmert, weit sich aus! – Hier ist es schön, Nicht wahr, mein Liebling? Sieh nur die Narzissen Dort auf der Halde. Willst du wieder pflücken? – Er aber spähte still umher. Da sahn wir Im Stadium, wo Zypressen rings wie Wächter Den Plan behüten, schöne Pferde frei Sich tummeln oder weiden durch das Gras. Die schlanken Nüstern schnoberten, es flogen Die langen Schweife, wie sie ihre Sprünge Fast wie im Reigen machten. Und auf einmal Kam aus der Koppel zu uns hergelaufen Ein weißes Füllen. Fromm-geduldig stand's Vor meinem Knaben, ließ das krause Fell Von seinen dreisten Händchen willig streicheln, Und eh' ich's dachte, saß er auf dem Rücken Des schlanken Tiers, und nun begann das Spiel, In leichten Sprüngen erst, dann wild und wilder, Daß ich in Angst erschaudernd rief und bat Und warnt' – umsonst! In plötzlich tollem Rasen Ausbrach der Wildling, wie gepeitscht mit Dornen, Und mein Geliebter, wie ein Federball Hinab, hinaufgeschnellt, kaum noch die Mähne Fest hielt er – zwischendurch aus seinem Auge Traf mich ein banger Strahl. – Ach, rief ich, hättst du Es nicht gewagt! Das Leben ist zu wild, Es wirft dich ab! – Da hört' ich einen Ton Wie Ächzen – drauf ein schadenfrohes Wiehern – Und als der Nebel meiner Ohnmacht wich, Sah ich auf feuchtem Abhang hingestreckt Den holden weißen Leib, die Strahlenaugen Erloschen, ach, die Blumenglieder nackt In eine rote Decke halbverhüllt – Und sinnlos stürzt' ich hin. – – Doch aus der Wiese, Darauf er lag, sproß eine Blumensaat Von gelben Totenblumen und Narzissen Und frühen Veilchen, und sie wuchsen hoch Und höher, überwuchernd die erblichnen Geliebten Glieder, bis ich nichts mehr sah Von meinem toten Glück. Ins Auge drang Mir scharf und schmerzend erste Morgenglut Des neuen Tags, in lautem Weinen brach Die Qual mir aus, und seinen Namen rufend, Erwacht' ich. Rom im März