Wissenschaft Könnt' in einem Sprüchlein Raum sein, Weltprobleme zu erledigen? Ein Spazierstock will kein Baum sein, Ein Stoßseufzer will ich nicht predigen. Sobald die Künste verblühn, Kommt Wissenschaft in Gunst. Sie lohnt auch Handwerksmühn, Denn Wissen ist keine Kunst. »Wer nicht in der Wissenschaft Kleines ehrt, Ist auch des großen Gewinns nicht wert.« – Das werd' ich niemals euch bestreiten, Nur euer Großtun mit Kleinigkeiten. Ein Haus zu bauen ist stets beschwerlich, Viel Gewerke reichen sich da die Hand, Auch Handlanger sind unentbehrlich, Und ihren Lohn verdienen sie ehrlich, Nur werden sie nicht Architekten genannt. Kulturgeschichte Dem Nachbarn in den Topf zu schauen, Geziemt allein neugier'gen Frauen, Doch ist's hochwichtig zu erfahren, Was er gekocht vor hundert Jahren. Philologische Kommentare Wer nie ein Stück Poet gewesen, Wie dräng' er in den Geist des Dichters ein? Mit Shakespeare Äschylus zu lesen Müßt' eine herrliche Sache sein. Philologie Buchstabensel'ge Philologie Vermeint, den Logos liebe sie? Wortklauberei weiß nichts fürwahr Vom »Worte«, das »zu Anfang war«. Doch ihr, die Geistesmacht entflammt, O haltet den Tempel rein! Ist heiliger doch kein Priesteramt, Als Hüter des Worts zu sein. In mancher Literaturgeschichte Macht Poesie ein wunderlich Gesichte: Eine Schöne, die vorm Spiegel steht Und drin nach ihren Runzeln späht. Männer, die über den Zeiten stehn, Willst du als ihr Produkt erklären? Hast du schon je einen Sohn gesehn Seine eigene Mutter umgebären? Mit der pragmatischen Methode Viviseziert ihr das Genie zu Tode. Eine Wiese liefert zweierlei: Ein Herbarium und ein Fuder Heu. Pädagogik Die Bildung, die wir den Kindern erteilen, Bezweckt bei Licht besehn nur eben, Die übliche Masse von Vorurteilen Ihnen ins Leben mitzugeben. Goethe als Naturforscher Ihr mögt Natur aufs Folterbette strecken, Sie wird euch ihr Geheimnis nicht entdecken. Dem Dichter, der zur Liebsten sie erkor, Naht sie sich still und sagt es ihm ins Ohr. Politik Sei vor den Xenien auf der Hut; Sie prickeln und reizen das träge Blut, Wie eine Schüssel von Mixedpickel Sind aber keine Glaubensartikel. Wie soll man in der Welt sich regen? Wer Unrecht hat, der büßt's mit Schlägen, Wer Recht behält, den liebt man nicht, Und wer neutral bleibt, heißt ein Wicht. Jeder Deutsche durchlebt eine Phase, Wo er mit Macht Politik betreibt Und ein historisches Drama schreibt. Zu beidem braucht's nur den Mut der Phrase. Egalité Zum Nadelholz gehören Ficht' und Zeder, Doch macht der Wuchs einen Unterschied. Homo sapiens heißt ein jeder, Ist er auch noch so insipid. Meint ihr, ein jeder sei dazu geschickt, Daß er das Staatswohl überwache? Ein jeder weiß zwar, wo der Schuh ihn drückt, Doch Rat zu schaffen, ist des Schusters Sache. Distinguendum est Wie hochempört wir den Jesuiten grollen, Weil mit den Mitteln sie der Zweck versöhnt! Doch »wer den Zweck will, muß die Mittel wollen« – Wie tüchtig das und biedermännisch tönt! Man liebt zu bemänteln allerorten Schwache Gedanken mit starken Worten. Ob sie dem Licht den Sieg mißgönnen, Die Nacht wird's nicht bezwingen können, Solang der Feldruf der Jugend heißt: Hie deutsches Gewissen und deutscher Geist! Das Stichwort gab ihm die Partei, Manch Schlagwort bracht' er selbst herbei, Und doch, so lang er auch gesprochen, War's nicht gehauen und gestochen. Wohl ist's des Mannes Ehr' und Pflicht, Daß er seine Meinung treu verficht. Doch ziemt es nur vorwitz'gen Knaben, Über alles eine Meinung zu haben. »Das klingt ein bißchen sehr – Verzeih! – reaktionär.« – Wenn sich Agitatoren rühren, Wie sollte man nicht re-agieren? Verschiedne Ziele? Böses Spiel, Doch können wir uns noch gelten lassen. Verschiedne Wege zu gleichem Ziel? Da hilft kein Gott, wir müssen uns hassen. Wir dürfen unsern gnädigen Schutzgeistern danken auf Erden, Wenn wir den Steinen predigen Und nicht gesteinigt werden. Im neuen Reich Das neue Haus ist fest gefügt; inmitten Der Stürme steht es hoch und hehr, Nur die Akustik hat arg gelitten: Der Muse Ruf vernimmt man drin nicht mehr. Vor ew'gem Reorganisieren Mag uns der Himmel bewahren. Die Straße, drin die Pflastrer stets hantieren, Ist übel zu befahren. Mit der Staatskunst ist es genau Wie mit dem Hausregiment der Frau: Am besten verstehen ihre Sachen, Die am wenigsten von sich reden machen. Das aber wollen die Herren nicht wissen, Die stets des Redens sind beflissen, Meinen, die Krone der Staatskunst sei: Wenig Wolle und viel Geschrei, Und besser mundet ihnen der Schmaus, Riecht man den Braten im ganzen Haus. Seinen Widersachern Könntet wohl was an ihm haben, Aber, kleinlichen Geschlechts, Sucht ihr ihm was anzuhaben: Daran habt ihr denn was Rechts! Wer heute klüger ist als gestern Und es mit offner Stirn bekennt, Den werden die Biedermänner lästern Und sagen, er sei inkonsequent. Hoffärtig scheltet ihr den Dreisten, Der sagt, er sei der rechte Mann? Gewisse Dinge kann nur leisten, Wer weiß, daß er sie leisten kann. Ihr habt, solang ihr ihn hattet, Nur seine Fehler gezählt. Nun da ihr ihn bestattet, Merkt ihr, daß Er euch fehlt. Wer Menschen wohltut alle Tage, Gilt endlich für eine Landesplage. Gewissen Patrioten Ihr meint, das Gute hättet ihr allein, Und seht am Nachbarn nur Gebrechen? Die Tugenden sind aller Welt gemein, Nationen scheiden sich durch ihre Schwächen. »Dir selber treu sein!« predigt man dir vor, Doch frommt das weise Wort nicht allen. Bist du ein Lump, ein Schuft, ein Tor, Such eilig von dir abzufallen. Wer nun einmal zum Knecht geboren, An dem ist sanfter Zwang verloren. Vernunft und Recht wird ihn nicht rühren, Er will den Fuß im Nacken spüren. Und als ich auf dem Brenner stand, Sprang keck ein Floh mir auf die Hand Und tat da völlig wie zu Haus. Nun seht die welschen Insolenzen! Sie dehnen ihre natürlichen Grenzen Sogar bis auf den Brenner aus. Aktualität Siehst du den stürmischen Wechsel der Zeiten, Magst du im stillen dich daran halten: Die dringendsten Angelegenheiten Sind die jahrtausendalten.