Kantate zur Einweihung der Katharinenkirche auf Bickern Riga, den 1. October 1766. Erster Theil Wem tönt der erste Lobgesang Im neuen Heiligthume? In vollen Chören schallet Dank Zu unsers Gottes Ruhme! Lobsingt Jehovah's Majestät, Die sich ein Gotteshaus erhöht Und will darinnen wohnen! Hier, wo vorher ein dürrer Hügel stand, Um den die Heerde Jesu sich zerstreute, Hier – Christen schaudert! – hier ist heilig Land! Jehovah wählt – frohlockt! – auf ewig wählt er heute Sich hier ein Haus! Hier ist des Herren Tempel, Den Viele wünschten, hofften und nicht sahn, Den Sterbende noch in brünstigen letzten Gebeten Für Kinder und Enkel zum Erbtheil erflehten, Der ist – Ihr Brüder, betet an! – Hier ist des Herren Tempel! Hier, Väter, werden Eure Kindeskinder Mit Milch des Trosts und Unterrichts genährt. Hier wird vom Donner des Herrn der rohe Sünder Erweckt, gerührt, bekehrt, Und Frevlern zum Exempel, Der Leiden Jesu werth. Hier, Arme, wird Gebet, Gebet wird hier erhört, Die schwache, stumme, zitternde Thrän' erhört, Den Blöden mehr, mehr als ihr Wunsch gewährt. Der Matte, Lechzende eilt aus dem Weltgetümmel Zum Tempel, Gottes Armen zu; Da findet er den Himmel Und Trost und Ruh. Duett. 1. Greise, Männer, Jünglinge, 2. Mütter, Töchter, Säuglinge, 1. Gott Jehovah soll hier thronen! 2. Jesu Name soll hier wohnen! Fallet nieder! betet an! 1. Hier wird das Kind sein erstes Abba lallen, 2. Hier wird die Mutter weinend niederfallen, 1. Der fromme Greis mit Himmelsinbrunst beten, 2. Der böse Sohn mit heil'ger Scham erröthen; Zu edeln Thaten entschließt der Mann. 1. Greise, Männer, Jünglinge, 2. Mütter, Töchter, Säuglinge, 1. Gott Jehovah soll hier thronen! 2. Jesu Name soll hier wohnen! Fallet nieder! betet an! Im Staube liegen wir vor Dir; Du wohnst, Herr, unter uns; doch wir, Wir müssen schamroth flehen: Geh nicht mit Sündern ins Gericht! Der Gnade würdig sind wir nicht, Die wir so oft verschmähen. Schlechte Knechte, Bösewichter Sind wir! Richter, Hab Erbarmen! Laß noch, laß Dein Wort uns Armen! Zweiter Theil Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist Gottes Haus! Hier ist die Pforte des Himmels! Des Herren Haus! Entweicht, unheil'ge Spötter Der heiligen Religion, daß Euch ein Wetter Der Rache nicht zum Abgrund schleudre! Waget Ihr Euch hier vor den Richter? Klaget Und pocht nicht Euer Herz? denn wißt, Daß hier Jehovah's Wohnung ist! Und die Ihr unrein vor ihn tretet Und die Religion, die Ihr hier schwöret, schmäht In niedern Thaten, zittert! Eu'r Gebet Ist Fluch! ist Gott ein Gräuel! Bebt! Ihr schmäht Den Tempel, wo Ihr plärrend betet, Was Ihr nicht wünscht, nicht hofft und nicht versteht. Zur Mördergrube wird sein Bethaus! Tretet Zurück und fleht! Fleht! denn er donnert schon von fern! Wer? wer ist würdig, zum Altar des Herrn Mit froher Stirn zu kommen Und froher wegzugehn? Die Frommen! Schallt, fromme Chöre! Ihr Frevler, weicht! In seinen Tempel zeucht Der König der Ehre! Furchtbar, prächtig, Huldreich, mächtig! Wer kann vor Jehovah stehn? Der Fromme, der unschuldig wandelt, Der Christ, der sich im Herren freut, Der Sünder, der das Laster scheut, Der Menschenfreund, der redlich handelt, Der kann zum Tempel Gottes gehn! Schallt, fromme Chöre! Ihr Frevler, weicht! In seinen Tempel zeucht Der König der Ehre! Furchtbar, prächtig, Huldreich, mächtig! Fromme können zu ihm fliehn! Herr, wenn Dein Zorn einst uns und unsre Kinder drückt, Wenn Alles hilflos ächzt, weil Niemand uns erquickt, Und hier dann unser Angstgebet Vor Deinem heil'gen Altar fleht: Dann, Vater, rett aus Nöthen, Die hier als Brüder beten! Wo Drei in meinem Namen beten, Da bin ich mitten unter ihnen Und will sie retten. Wenn unser banges Herz in tausend Aengsten schwimmt Und reuend seine Flucht zu Dir, Erbarmer, nimmt, Und wir auf unserm Angesicht Hier liegen, Herr, dann laß uns nicht! Komm, tröst uns, Dir zum Ruhme, In Deinem Heiligthume! Wo Drei in meinem Namen beten, Da bin ich mitten unter ihnen Und will sie trösten. Wenn unser kindlich Herz voll zarter Dankbarkeit Für Gnad' und Lieb' und Treu' Dir nichts als Thränen weiht, So nimm, statt Jubel und Gesang, Nur einer stillen Thräne Dank Und gieb, wie Väter pflegen, Uns Armen neuen Segen! Wo Drei in meinem Namen beten, Da bin ich mitten unter ihnen Und will sie segnen. Sein Tempel und sein Heiligthum Sind Erd' und Himmel! Seinem Ruhm Lobsingt das Chor der Seraphim. Ihr Christen, lebt und sterbet ihm!