Die Kindheit Jesu. Ein Oratorium Weihnachten 1772. Entsetzet Euch nicht! Sieh, ich verkündig' Euch große Freude Und aller Welt! Euch ist geboren Christus, der Herr, Und liegt in Kripp' und Windeln. (Himmlische Musik von fern ohne Worte, Gesang, der nachher heißen wird: »Ehre, Ehre sei – den Menschen Heil!«) Ihr Brüder, sind wir? wähnen? hören? sehn? Ein Engel! welch ein Glanz! sein himmlisch Angesicht! Und welche Stimm': »Entsetzt Euch nicht! Euch ist geboren!« (Die vorige Himmelsmusik kommt näher, noch ohne Worte.) Naht der Himmel? Bin ich im Himmel? – Paradies Um mich umher! – Und sprach er nicht Uns große Freuden? »Geboren! Entsetzt Euch nicht!« (Zum Dritten, am Stärksten.) Ach, in meinen Ohren Ist Jubel und Weissagung! – Er, Den Gott verhieß, So lange Erflehet, lange Ersehnt, der Erdbeseliger! Soll alle Heiden Wie Heerden weiden Im Friedenszelt. Selige Welt! Soll – welche Freuden! – Uns Hirten weiden Im Himmelszelt! Er bricht! der Himmel bricht! O Licht! Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe, Friede danieden Und den Menschen Heil! Ach, Brüder, wir erliegen Dem Jubel! Seht! der blaue Sternenraum Ist schon geschlossen! und auf Erden Ist Nacht! vernehmen kaum Den aufgeregten Freudeschall der Heerden! Wir thun, was Gott uns spricht: »Zaget nicht! Er liegt in Kripp' und Windeln!« Laßt uns gehn, Den neugebornen König sehn! Schlummre sanft in Deiner Krippe, Holder Knabe! Nun mein Alles, was ich habe! Ach, wie schwebt auf seiner Lippe Welche Wonne! welche Huld! Mir zum Eigenthum gegeben, Süße Gabe! Arm und bloß, im tiefen Schlummer, Aber, Gott! – In Müh und Kummer Hoffen will ich mit Geduld. Schlummre sanft in Deiner Krippe, Holder Knabe! Nun mein Alles, was ich habe! Ach, wie schwebt auf seiner Lippe Welche Wonne! welche Huld! Ein Engel kam – ich zitterte! – der nannte Mich selig, nannte Dich Gottes, ew'gen Vaters, Sohn! In hohem Reich, auf Vater David's Thron! Ich betete; Da segnete Der Himmelsbote mich, wie milde! sandte Mich hin zur Trösterin Elisabeth. Und wie Empfing mich sie! Wie hob sie meinen Muth! Ich sang Und glaubte – will mein Leben lang Auch glauben! – Sieh, ich hange Mit Mutterthränen über Dir, Du meines Herzens Sohn! Du Deines ew'gen Vaters Sohn! Im Schlummer auch Mich hörend. – Ich verlange Mir nichts! bin Gottes! Dir, Mein Ein und Alles, Dir In Noth und Kummer zu leben, Der ärmsten Mutter, mir In fremder Stadt gegeben, Sollst einst, o süßer Fremdling, leben Dem Gott, der Dich gegeben hat! Holde, holde Wundernacht! Der Heiland ist geboren! Wir lagen da in Himmelspracht Alle wie verloren; Ein Engel kam in Gottes Licht: »Freut Euch, Hirten! zaget nicht! Aller Welt ist Freude!« Da kam Gesang und Himmelsklang; Hirten, singt ihn lebenslang! »Ehre, Friede, Freude!« Armer Knabe, liegest da In Kripp' und Hüll' und Binden. In Kripp' und Binden sollt' er sein, Christ, der Herr, zu finden! Wir singen Dir! wir geben Dir, Frohen Herzens geben wir Ihm Au' und Hütt' und Heerden. Er giebt uns Freud' und güldne Zeit; Brüder, Hirten! güldne Ewigkeit Wird durch ihn uns werden. Maria. Ich weih' ihn Gott! und meine Seel' Erhebt den Herrn! und all mein Geist Erfreut sich Gottes, meines Heilandes! Er hat die Blöde seiner Magd Mit Vaterblick ersehen! Sieh, Von nun an werden mich lobpreisen Die Kindeskind'. Der Herr, der Herr Hat große Ding' an mir gethan, Der Mächtige! Sein Nam' ist hehr! Sein Herz Von Menschenhuld und Mitleid wallend Zu Kindeskind. Simeon. In Fried' und Freude Gottes wall' Ich nun von hinnen! Ich sah ihn mit den Augen mein, Meinen Heiland! Seh' ihn! Ach, wie herzt mein Arm Den Auserwählten Gottes! Mich reget Geist! ich seh'! ich seh'! Er wird ein Licht den Völkern sein Und seinem Volke Trost und Ruhm! Und Vielen Heil und Vielen Fall Und Allen Kampf! – Ich seh'! ich seh' Ein Licht der Welt! – Dir aber, Mutter, wird er sein Ein Schwert ins Herz! Ach, vieler, vieler Menschen Sinn Wird Gott dann offenbaren. – Und nun in Fried' und Freude laß Mich, Gott, von hinnen! Ich sollt' ihn sehn mit Augen mein, Meinen Heiland; Seh' ihn, wie's mir Gott verhieß, Und schlummre sanft hinüber. Schlußchöre. Voll. 1. Dessen Preis die Hirten sangen Und der Engel Jubel klangen, Alle Ewigkeiten sangen, Jesu, nimm dies Loblied an! Getheilt. 2. Den Maria tief im Herzen Trug, die Selige! mit Schmerzen Drang ein Schwert zu ihrem Herzen, Opfer, Jesu, nimm es an! 3. Und mit Engels Sterbeblicken Konnte Dich auch mit Entzücken Simeon ans Herze drücken. Holder Jesu, nimm es an! 4. Dessen Preis die Hirten sangen Und der Engel Jubel klangen, Alle Ewigkeiten sangen, Jesu, nimm dies Loblied an!