21. Liedchen der Desdemona Aus Shakespear Englisch Aus Shakespear's Othello. Akt. 4. 5. AEMILIE. Und nun, gnädge Frau? Er sah doch jezt milder aus, als erst. DESDEMONA. Er sagt, er will gleich wieder hier seyn, und Befahl mir stracks zu Bett zu gehn und hieß mir, Dich fortzuschicken. AEMILIE. Fortzuschicken mich? DESDEM. So sagt er. Also, gute Aemilie, Gib mir mein Nachtzeug und leb wohl! Wir müssen ihn jezt nicht erzürnen. AEMILIE. Oh Ich wollt', ihr hättet ihn niemals gesehn. DESDEM. So wollt ich nicht. Und mir gefällt er so, Daß selbst sein harter Sinn, sein Ernst, sein Schmälen, (Ich bitt dich, steck mich los!) mir süß und lieb ist. AEMILIE. Die Tücher, die ihr mir befahlet, liegen Schon auf dem Bette. DESDEM. Alles Eins! Du guter Vater, wie man thöricht ist! Sterb ich vor dir, Aemilie, ich bitt dich, Gib eins von diesen Tüchern mir in Sarg – AEMILIE. Ah kommt, ihr schwätzet – DESDEM. Mein' Mutter hatt' ein Mädchen, Barbara Hies sie, die war verliebt. Und ihr Liebhaber Ward närrisch und verließ sie. Die hatt' da Ein Liedchen: Weide, Weide! – 'n altes Ding, Aber ganz gemacht für ihren Zustand. Sie Sang es und starb damit. Das Lied will mir Den ganzen Abend nicht aus meinem Sinn, Ich hab zu thun, daß ich nicht auch den Kopf So hangen laß' auf Eine Seit' und sing' es, Wie die arme Barbara. ' bitt dich, mach fort. AEMILIE. Soll ich das Nachtzeug holen? DESDEM. Nein, nur hier Steck mich noch los. Der Ludoviko Ist doch ein artger Mann. AEMILIE. Ein hübscher Mann. DESDEM. Und spricht sehr gut. – AEMILIE. Ich weis eine Dame in Venedig, die nach dem gelobten Lande barfuß gewandert wäre, um einen Druck von seiner Unterlippe. DESDEMONE singt. Arm' Mädchen saß singend, am Waldbaum saß sie, Singt alle, mein Kränzel ist Weide. 9 Die Hand lag am Busen ihr, 's Haupt am Knie, Singt Weide, grüne Weide! Der Strom kalt daneben ihr, murmelt ihr Ach, Singt Weide, grüne Weide! Und Thränenfluth floß ihr, die Felsen wohl brach, ' Bitt dich, mach fort, er ist den Augenblick da. Singt alle, von Weiden mein Kränzlein muß seyn, Komm niemand und tadl' ihn. Er gefällt mir nun so. Nein das folgt noch nicht. Horch, was klopft? AEMILIE. 'S ist der Wind. DESDEM. Ich nannt' ihn mir treulos. Was antwort't er mir: Gefallen mir Mädchen, die Bübchen wohl dir – – So, nun kannst du gehen. Gute Nacht. Mir jucken meine Augen, das bedeutet Weinen. AEMILIE. O nicht doch! – [DESDEM:] Gute Nacht, gute Nacht! Mir steh der Himmel bei, Daß ich nicht schlimm durch schlimm, durch Schlimmes besser sey! *** Ja es verdienets, es verdients, mein' Seel! Laßt michs nicht nennen euch, ihr keuschen Sterne! Verdients! – Doch will ich nicht ihr Blut vergiessen, Nicht ritzen diese Haut so weiß wie Schnee, So sanft wie 'n Alabasterbild im Grabmal 10 Nur sterben muß sie, sonst betrügt sie mehr! Thu aus das Licht! und dann – dann? aus das Licht, Lösch' ich dich aus, dienstbare Flamme, dir Kann ich dein erstes Licht wohl wiedergeben, Falls es mich reute. Aber dir! – Einmal Dein Licht Dir ausgethan, du künstlichste Gestalt der Meisterin Natur, so weis ich Nicht, wo Prom[e]theus Feuer ist, das dir Dein Licht anzünde wieder – Hab ich sie abgepflückt die Rose, ich Kann ihr nie Wuchs des Lebens wiedergeben. Sie muß verwelken. Nun so will ich dich Noch kosten auf dem Zweige. Süsser Hauch! Fast überredt 11 er die Gerechtigkeit, Ihr Schwert zu brechen. Noch einmal, einmal! Sey, wenn du todt bist, so, und ich will dich tödten Und nachher lieben. Einmal noch – das Lezte! – So süß war nie so traurig! Ich muß weinen, Nur sinds grausame Thränen. Dieser Schmerz Ist Himmelszorn, er schläget, wo er liebt! – Sie erwacht – – –