Fünftes Buch Ueber die Asche Königsberg's Ein Trauergesang. Ich sah! Der Seher bebt, es anzusagen; Noch ist sein Auge Nacht! – Ist Volk um mich, Das hör' und heul' den Trümmern Klagen, Beasch' und bücke sich! Denn ein Gesicht zur Zeit der Sabbathsstille Sah ich, entzückt den Blick emporgewandt, Sah in Abbadon's Wolkenhülle, Das Feu'rschwert in der Hand; Sank auf des Sturmes Flügelwagen nieder Ein Todesengel! und es schrieb sein Stab (Wie Belsazern, so zittern mir die Glieder!), Er schrieb zum Flammengrab Der Königsstadt ein Mene Tekel! »Heute Jehovah's Wohnungen, seid, Tempel, heut Sein Herd! – Dein Palastgold die Beute Des Gluthstroms! – Asche seid!« Da floß von Cherubs Schwert ein Funke nieder (Wie jener Stern Abbadon), und sein Fuß Sandt' Sturm ihm nach, schwarz am Gefieder; Da ward der Funk' ein Fluß Von Wirbeln himmelhoher Aetnaswellen Und Bergen Rauchdampf, den der Würger sich Zum Siegskleid umwand, und die Schwellen Der Erde krümmten sich. Da zischten nieder Güsse Funkenregen, Bis hier und dort ein Pharos wie ein Heer Von Riesen flammt', und allerwegen Floß siebenfarbig Meer, Auf dem der Sturmwind ritt und Schrecken sauste. O weint und mischet mächt'gen Jammerton Zum Ach, das die Verzweiflung brauste! Zum Ach, das hier ein Sohn, Ein Greis, ein Sterbender, ein Volk von Kranken Aus Flammen wimmert, wie aus Moloch's Arm! »Hör's, Cherub! laß Dir Thränen danken!« Da wägt er – und sein Arm Stürzt weiter. Es schlägt Mitternacht und Morgen; Die Wage tönt noch fort, die Dämmerung, Die Nacht, den Mittag durch zum Morgen; Nun steht sie! – Endlich g'nung! Kniet! – Mit der letzten Loh' fuhr er, umkreiset Von dreißig Märtrern, auf! – Gott sah, da war Die Stadt ein Babel, nackt, verwaiset, Ein weiter Rauchaltar, Auf dem Noth, Hunger, Frost, Harpyenheere! Vielklauicht ruheten; sie ächzt, sie heult! Da sprach er: »Gnade! was die Schwere Des Zorns schlug, sei geheilt!« Er sprach's! Macht ging von ihm; die Aschenstätte Bewegte sich, des Schutts Gebein erhob Sein heilig Haupt, um Preisgebete Dem Rächenden zu weihn und Lob Dem Wiederbringer! Denn er hebt Paläste Mit Kränzen aus der Asch' zum Himmel auf: So gehn am Auferstehungsfeste Aus Asche Leiber auf Und hüpfen froh ums Grab in Strahlenrüstung; So hüpft – der Seher sieht's! – so hüpfst Du Stadt Bald, statt des Gräuels der Verwüstung, Um eine neue Stadt!