Händel's Messias 1782. Erster Theil »Tröstet, tröstet mein Zion!« Spricht Eu'r Gott, Redet Trostesworte mit Jerusalem Und ruft ihr zu, Daß ihr Kriegszug sei vollendet, Daß ihre Missethat Sei verziehn! Ein Ruf erschallt! Er rufet in der Wüstenei: »Bereitet den Weg dem Herrn! Macht Bahn in der Wüste! Macht Heerweg unserm Gott!« Alle Thale werden erhaben, Und alle Höhen und Hügel tief! Die Krümme gleich, Und die Steile gerecht! Denn die Hoheit, die Hoheit des Herrn Wird offenbaret! Und alles Fleisch soll schau'n mit einander; Denn der Mund des Herrn Hat's zugesagt. So spricht der Herr, Gott Zebaoth: »Es ist noch ein Kleines, So will ich regen Den Himmel und die Erd', Das Meer und die Trockne, Und will erregen die Völker, Bis das Verlangen der Völker erscheint.« »Der Herr, den Ihr sucht, Kommt eilig zu seinem Tempel, Und der Engel des Bundes, Nach dem Ihr verlangt, Er kommt! sieh, er kommt!« Spricht der Herr Zebaoth. Doch wer mag ertragen Den Tag, wenn er kommet? Und wer besteht, Wenn er erscheinet? Denn er ist gleich wie ein läuternd Feu'r. Und er wird reinigen die Söhne Levi, Daß sie darbringen Gott, dem Herrn, Ein Opfer in Reinigkeit. Sieh da! eine Jungfrau empfängt! Gebiert einen Sohn Und wird ihn nennen: Immanuel! Gott mit uns! O Du, der bringet Frohlocken in Zion, Steig hinauf auf die hohen Berge! O Du, der bringet Frohlocken in Jerusalem, Ruf aus Dein Wort mit Macht! Ruf es aus! sei nicht verzagt! Verkünde den Städten in Juda: »Da ist Eu'r Gott!« O Du, der bringet Frohlocken in Zion, Wolauf! glänze! Dein Licht ist da! Und die Herrlichkeit des Herrn Erhebet sich auf Dir! Schau umher! Dunkel bedecket die Welt Und Mitternacht die Völker. Doch der Herr wird über Dir aufgehn, Seine Klarheit wird erscheinen auf Dir, Und die Heiden, sie kommen zum Licht, Die Fürsten zum Glanze, der Dir aufgeht. Die Völker, die wandeln im Dunkel, Sie sehn ein groß Licht; Und die da wohnen im Lande der Schatten des Todes, Auf ihnen glänzet der Morgen. Denn es ist uns ein Kind gebor'n! Es ist uns ein Sohn gegeben! Und der Königsstab wird sein auf seiner Schulter, Und sein Name wird heißen: Wunderbar! Hoher Rath! Der starke Gott! Der ewig-ew'ge Vater! Der Friedefürst! Es waren Hirten Beisammen auf der Flur, Hüteten ihre Heerd' zu Nacht, Als schnell der Engel des Herrn zu ihnen trat; Und die Klarheit des Herrn umglänzte sie, Und sie erschraken sehr. Alsdann der Engel zu ihnen sprach: »Friede! Erschrecket nicht! Ich bring' Euch Freude, große Freude, Für Euch und alles Volk; Denn es ist Euch Geboren heut In David's Stadt Ein Heiland; der ist Christ, der Herr!« Und alsobald war da bei dem Engel Die große Schaar himmlischen Heers, Lobend Gott und sagend: »Ehre sei Gott! Ehre sei Gott in den Höhen Und Fried' auf Erd' Und Heil! Allen Heil!« Erfreu, erfreu, erfreue Dich mächtig, Erfreue Dich, Tochter zu Zion! Jauchze, Tochter zu Jerusalem! Denn sieh! Dein König kommet her zu Dir, Er ist ein rechter Heiland Und redet zu: »Friede den Völkern!« Dann wird das Auge des Blinden sehend sein Und das Ohr des Tauben aufgethan! Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch Und die Zunge des Stummen singen! Er wird Hirte sein Seiner Schafe Und wird sich sammeln die Lämmer in den Arm Und tragen sie in dem Busen, Und sanfte leiten, die noch zart sind. Kommt her zu ihm, die Ihr mühselig seid, Kommt her zu ihm, die Ihr seid schwer beladen! Er wird Euch geben Ruh. Nehmt sein Joch auf Euch Und lernt von ihm! Denn er ist sanft-demüthigen Sinns; So findet Ihr Ruh für Euer Herz. Sein Joch ist selig, Sein Tragen ist leicht. Zweiter Theil Sieh, da ist Gottes Lamm! Es träget hinweg die Sünde der Welt. Er war verschmähet, Verschmähet und verworfen, Verworfen von Menschen, Ein Mann des Kummers Und befreundet mit Gram. Er gab den Rücken der Geißel Und die Wange Dem, Der ihm die Haare riß; Er barg nicht sein Antlitz Vor Schmach und Speichel. Wahrlich, wahrlich! er trug unser Leid Und litt unsern Kummer. Er ward verwundet um unsre Sünden, Er ward zerschlagen für unsre Missethat. Die Züchtigung zu unserm Frieden lag auf ihm; Durch seine Wunden sind wir geheilet. Wir gingen All' in Irren umher, Wir kehrten Alle, Jeder seinen Weg; Und der Herr legt' auf ihn Unser Aller Missethat. Und die ihn sahen, spotteten sein, Höhneten ihn und warfen das Haupt Und sprachen: »Er trauete Gott, Der könn' erlösen ihn! Laß den erlösen ihn, Wenn er hat Lust zu ihm!« Deine Schmach Zerbrach sein Herz; Er ist voll von Traurigkeit. Er schauet' umher, nach Mitleid umher; Aber da war Niemand, Noch fand sich Einer, Zu trösten ihn. Schau an und sieh, Ob irgend sei ein Kummer Gleich seinem Kummer? Man riß ihn aus, Aus dem Lande der Lebenden; Um die Missethat Deines Volkes Mußt' er sterben. Doch Du ließest nicht Seine Seel' in der Höll' Und gabst nicht zu, Daß der Heilige Dein Die Verwesung säh'. Erhebt das Haupt, o Ihr Thore! Eröffnet Euch weit, Ihr Pforten der Welt! Denn der König der Ehre wird einziehn. »Wer ist der König der Ehre?« »Der Herr, stark und mächtig, Der Herr, stark und mächtig im Streit.« »Wer ist der König der Ehre?« »Gott Zebaoth, er ist der König der Ehre!« Denn zu welchem Engel Sprach Gott Jehovah je: »Du bist mein Sohn! Heut hab' ich Dich erzeuget!« Laßt alle Engel des Herrn Feiern ihn! Du bist gestiegen hoch! Hast geraubet, die da raubeten, Und empfangen Gaben den Menschen Und Gaben Deinen Feinden, Daß Gott, der Herr, noch wohne bei ihnen. Der Herr gab sein Wort. Groß war die Menge der Gottesboten. Wie lieblich ist der Boten Tritt! Sie kündigen Frieden uns an. Sie bringen freudige Botschaft, Die Botschaft unsers Heils. Ihr Ruf, er erging in alles Land, Und ihr Wort Hin an die Ende der Welt! Wie, daß die Völker so wüthend ergrimmen zusammen? Wie, daß die Heiden berathen eiteln Rath? Die Fürsten der Welt stehn auf, Und die Großen rathschlagen zusammen, Entgegen Gott Und entgegen seinem König. »Laßt uns brechen ihre Bande, ihre Band' entzwei! Und werfen weg Ihr Joch von uns!« Er, der wohnet im Himmel, Er lachet der Wuth. Der Herr Wird spotten ihres Rathes. »Sie zerbrechen Soll Dein Eisenscepter! Sie zerschlagen in Stücke Wie die irdne Scherbe!« Hallelujah! Denn der Herr, Gott der Allmächt'ge, herrschet! Hallelujah! Das Königreich der Welt Ist worden das Königreich des Herrn Und seines Christs. Und Er wird herrschen Ewig und ewig, Herr der Herrn, Der Götter Gott! Hallelujah! Dritter Theil Ich weiß, daß mein Erlöser lebet, Und daß er erweckt An dem letzten Tage Meinen Staub. Und ob Würmer ihn zernagen, In meinem Fleisch werd' ich Gott schau'n. Denn Christ ist erstanden aus der Gruft, Der Erstling Der Schlafenden. Denn durch Einen kam Tod; Durch Einen kommet die Auferstehung von dem Tod; Denn wie in Adam Alles starb, So wird einst in ihm Alles lebend sein. Vernehmet! ich sprech' ein Geheimniß! Nicht Alle entschlafen; Aber Alle werden verwandelt! In dem Nu! Im Wink des Augenblicks! Beim Schall der Drommete! Es schallt die Drommet', Und die Todten erstehn Unverweslich, Und wir sind verneut. Denn dies Verwesliche Muß anziehn Unverwesung, Und dies Sterbliche Muß anziehn die Unsterblichkeit. Dann wird erfüllet sein Das Wort des Ewigen: »Tod ist nun verschlungen In Siegstriumph.« O Tod, o Tod, wo ist Dein Pfeil? O Grab, wo ist Dein Siegstriumph? Des Todes Pfeil ist Sünd' Und die Macht der Sünde Gebot. Drum Dank sei Gott, Der uns den Sieg gegeben hat Durch Christum, unsern Herrn! Wenn Gott ist mit uns, wer ist uns entgegen? Wer will anschuldigen Die Heiligen Gottes bei Gott? Es ist Gott, der frei sie spricht! Wer ist Der, der verdamme? Hier ist Christ, der starb! Ja, der da auferstanden Nun lebt! Er ist zur rechten Hand bei Gott Und redet und bittet für uns. Würdig ist das Lamm, Das da starb! Und hat erkaufet uns dem Herrn Durch sein Blut, Zu nehmen Macht und Reichthum Und Weisheit und Kraft und Ehre Und Hoheit und Dankpreis! Dankpreis und Ehre, Hoheit und Macht Sei ihm, dem Herrn, der sitzet auf dem Thron, Und ihm, dem Lamm, Auf ewig und ewig! Amen.