Mein Tagewerk 1772. So komm, o komme, meines Lebens Stab, Gefährte, der von früh auf mit mir schritt, Komm, süße Müh, und leite auf und ab Den Lebenshügel eines Wandres Tritt, Der oft ermattet! Ziel- und hüttelos Irr' ich in Wüsten; sei, o Arbeit, Du Mir Führerin, daß in der Ruhe Schooß Ich nicht unwürdig meines Lebens ruh'! Denn Ohnmacht der Zerstreuung selbst ist Schmach, Ist Tantal's Strafe; sehnend irrt sein Blick Vom Silberstrom zum Apfelgold, und ach! Er kehrt nur immer sehnender zurück. Nimm, was es sei, mein Geist, in Deinen Blick, Und fändest Du am schwer erreichten Ziel Nur Deinen matten Pfeil. Des Lebens Glück Ist Lebens Mühe; doch des Glückes viel Gewährt die Mühe; wie mit Schöpferskraft, Mit Selbstbewußtsein reget sie uns warm. Drum fühl Entschluß, so lange Lebenssaft Dir quillet, und kein Feind soll Deinen Arm Verrücken, wenn Du schnellst, der Lüfte Scherz, Den Pfeil; nur eh der Tod ihn Dir entreißt, Weil Du noch schlägst (Du schlägst nicht immer, Herz!), So fühle Dich und wirk und schaffe, Geist! Denn einst wird's um mich Abend. Jener Blick Der schönen Sonn' erlischt und träufelt Thau Statt Strahlen nieder; Zephyr kehrt zurück Zum jungen Morgenroth und läßt der Au' Nur kalte Schauer. Tief verstummt umher Das Chor der Vögel, senkt die Schwingen ab Und schlummert; um Dich rings in Luft und Meer Von Erd' zu Himmel wird's ein dämmernd Grab, Wird, wie Du, Geist, denn bist. Es schließet sich Die Seele wie die Blume. Zarter Leim Des Lebens, Du erstarrest; Dir entwich Dein Balsam, und der lebensschwangre Keim Der Thaten liegt erstorben. Jenes Bild, Ein Wahnbild, hieß der Sieger aller Welt, Hieß Alexander einst: die Asche füllt Jetzt ihren Sarg nicht mehr; der kühne Held Zerfällt beim Fingerregen. Und sein Lauf Voll Wunderthaten ist uns Fabel, Wind Der Fern' in leere Flöten, Pfennigkauf Der Straßensänger. Alle sind, sie sind Uns Fabeln, Hercul, Solon und Homer, Achill und Hektor, sind ein Todtenbein Und Namenschall; ihr großes Thatenheer Ist Märchen, Märchen auf dem Leichenstein. Drum weil ich lebe, leb' ich. Komm, o Stab Des Wandrers! Dir zur Seite Gutes thun, Ist Lohn für mich und Leben. Tod und Grab, Und Grab und Tod heißt bald genug uns – ruhn.