Versuchung Jesu Der Gottessohn vom Jordan kam, Noch schallte Vaterswort: »Mein Eingeliebter, der bist Du!« Ihm in der Seele fort. Noch schwebt' mit zartem Flug auf ihm Die Taub' in Blick und Sinn, Wo Vatershuld und Reinigkeit Und Gottheit wohnte drin. Wohin? wo wendest Du den Gang, Gepriesner Gottessohn? Gehst einsam, Menschen fern, und tief In Wüsteneien schon. Er geht und klimmt zu Gott empor, Vergisset Speis' und Trank Und ringt und betet, vierzig Tag' Und vierzig Nächte lang. Und kommt zurück, und wüthig fällt Nun auf ihn Hungersnoth; Um ihn die weite Wüstenei Und Thiergeheul und Tod. »Bist Du nun, bist Du Gottes Sohn In Deiner Hungersnoth? Sieh diesen Stein (der Satan sprach's) Und sprich den Stein Dir – Brod!« Und neu mit Löwenklauen fällt Der Hunger an sein Herz; Um ihn die weite Wüstenei Und in ihm Todesschmerz. »Versucher,« spricht er, »das ist Dein – Und was ist Gottes Wort? Nicht Brod allein, auch Gottes Hauch Webt unser Leben fort. Das Wort aus Gottes Mund, es ist Dem Armen Himmelsthau.« Er sprach's; die Wüste hört' das Wort Und ward zur frischen Au'. Und schnell die frische Au' ist hin, Er steht auf Tempelshöhn. »Schau nieder! wer kann schwindellos Ab in die Tiefen sehn? Und Du, Du kannst, ein Gottessohn, Hinab Dich senken. Fort Trägt Dich aus Gottes Mund ein Hauch (Auch ich weiß Gottes Wort); Der Engel Schaar um Dich, sie wird Dir ihren Fittig leihn, Ihr Arm Dich tragen, und Dein Fuß Berühret keinen Stein.« »Gott, Deinen Herrn, versuch ihn nicht!« Spricht Gottes Sohn, und nah Dem Sturze blickt sein Angesicht, Als wär' ihm Eden da. Hin war der Sturz; ein Zauberfeld Mit aller Erde Glück Lag um sie; Herrlichkeit und Pracht Ging, wie im Augenblick, Vorüber. Blähend, eingehüllt In Glanz und Pracht und Schein Stand Satan. »Sink und bete an Mich – schnell ist Alles Dein.« »Hinweg, Du Satan!« sprach der Held. »Gott, ihn, den Herren Dein, Sollst Du anbeten, dienen ihm Und dienen ihm allein!« Hin wich der Satan, zitterte Hinweg des Sohnes Blick, Dem Engelschaar und Seligkeit Und Himmel kam zurück. Und fort ging Jesus seinen Gang, So fern von Menschenruhm, Von Reichthum, Hoheit, Lust und Pracht, Und ging ins Heiligthum.