29. Die schöne Dollmetscherin Eine Morlackische Geschichte Beide Stücke sind aus einem ungedruckten Italiänischen Mscr. des Abbt Fortis, des bekannten Verfassers der Osservaz, sopra chesso ed osera und der Reise nach Dalmatien. Die Anzeige dieser Quelle ist nicht Dichtung, sondern Wahrheit. Ueber Gravo fiel der Bascha Mustaj, Und ringsum die hohe Mauer sanken Viel von seinen Edeln. Als die Türken Abends nun im Hause des Nikolo, Des Gebieters über Gravo assen, Baten sie um frisches Wasser. Niemand War der Sprache kundig, als die schöne Tochter des Nikolo, und zur Mutter Rief sie: liebe Mutter, auf die Füsse! Frisches Wasser fodern diese Türken. Stand die Mutter auf und brachte Wasser. Alle tranken, doch der Jüngling Muza Trank nicht; bittend sprach er zu der Mutter: »Edle Frau, der Himmel sey euch günstig! Aber gebt, o gebt mir eure Tochter Zur getreuen Gattin.« »Scherze nicht so, Spricht die Mutter, du des Bascha Krieger, Lang vermählet ist schon meine Tochter An Zikolo, an des stolzen Janko Neffen. Er gab ihr von rother Seide Drei gar aus der Maassen schöne Kleider, Und von feinem Golde drei Agraffen, Und drei Diamanten, also prächtig, Daß an ihrem Glanz man Abends speisen Und in Mitternacht, als wär es Mittag, Zehen Pferd' behufen könnte. Also Ist für dich, o Krieger, nicht das Mädchen.« Traurig saß auf dieses Wort der Jüngling, Sprach nicht mehr und schloß die Nacht kein Auge, Und nach langer Nacht bei Tages Anbruch Sprang er auf, auf seine wackern Füsse, Ging zum Zelt des Bascha und mit tiefen Worten sprach er also: Hoher Bascha, Unter allen Schönen, die dein weites Land dir zollet, ist von Himmelsschönheit Hier ein Mädchen, unsrer Sprache kundig, Tochter des Nikolo, Herrn von Gravo. Und der Bascha ließ den Grafen rufen, Sprach vertraulich zu ihm: »ist es Wahrheit, Was die Rede saget? deine Tochter Sey so schön und lieblich aus der Maassen? Wolltest du sie mir zur Gattin geben?« Unverändert sprach der edle Vater: »Schön ist meine Tochter, hold und lieblich; Aber längst ist sie zur Braut vermählet. Zekulo, des stolzen Janko Neffe, Gab von rother Seide ihr drei Kleider, Und von feinem Golde drei Agraffen, Und drei Diamanten.« Spricht der Bascha Freundlich: »Auf wohlauf denn, Freund Nikolo, Laß das schöne Mädchen und den Bräutgam Zu mir kommen, daß es sich entdecke, Wen von beiden sie sich wähle?« Mißmuth Ueberfiel den Grafen bei der Rede. Kaum zu Hause, sendet er ein weisses Blatt an Zekulo, des Woiwods Neffen: »Jüngling Zekulo, der Bascha sucht dir Deine schöne Braut zu rauben. Eile! Komm zu meinem Hofe und wir gehen Beide zu dem Zelt des Bascha. Morgen Soll das Mädchen sagen, wen sie wähle?« Kaum das Blatt gelesen, legt der Jüngling Auf sein allerschnellstes Roß den Sattel, Nimmt mit sich dreihundert der Vasallen, Kommen noch den Abend spät zum Grafen. Kaum vorbei die Nacht und Morgenanbruch, Gehen Braut und Bräutigam zum Bascha, Treten vor ihn, und mit süssen Worten Spricht der Türke zu dem Mädchen: »Wähle, Schönes Mädchen, mit wem willt du ziehen? Ziehn mit Zekulo? wie oder Gattin Eines Bascha heissen?« Und das Mädchen (Also hatt' die Mutter sie gelehret) Schnell erwiedert sie: »auf grünem Grase Will, o Herr, ich lieber mit dir stehen, Als mit Zekulo auf rother Seide.« Zekulo im Zorn erhob die Stimme: »Ist das deine Treue, deine Seele, Die du mir bei deinem Gott geschworen! Schnell, Untreue, gib die Goldgeschenke Mir zurück und geh, zu wem du wollest. Recke aus die Hand.« Betrogen reckte Sie sie aus, zu geben die Geschenke; Aber eine böse Schlange stach sie. Zekulo mit seinem scharfen Säbel Hieb ihr ab die rechte Hand der Untreu. Sprach zum Bascha: »Herr es ist dein Glück noch! Diese rechte Hand war mir gegeben, Nimm den Rest nun, jeder hat das Seine.« Knirschend rief der Bascha: »kühner Jüngling, Und das wagst du hier in meinem Divan? Bist du tapfer wie du keck bist, Jüngling, Aus, hinaus zum Zweikampf!« Und der Jüngling Nahm mit Freuden an den Zweikampf. Beide Reiten mit Gefolge auf die Ebne; Doch das Schicksal war dem Bascha widrig, Und der Jüngling mit dem scharfen Säbel, Spaltet Mann und Sattel. So gerieth dir Deine Untreu, schlechtbetrognes Mädchen.