Lobgesang am Neujahrsfeste Riga 1765. Ihm, der zehntausend Sonnenheere Im Strahlenangesicht als Bräute schuf, Dem jedes Jahr erklingt und jede Erde Hüpft wie ein Elephant, Dem tausend Frühlingschöre scherzen, Die Schnitter singen und das Waldheer brüllt: Dem jauchz', o Leyer, himmelhohe Lieder, Stolz, daß Dich Jovah hört! Denn wenn die Morgensterne jauchzen Und Erden hüpfen und die Jahrszeit singt, Hört er im festlichen Concert der Sphären Noch gern Dein wimmernd Lied. Drum tön' am neuen goldnen Jahre Von goldnen Saiten ihm ein neues Lied! Er gab dem Jahr das Allmachtshorn der Fülle Und Balsam seinem Fuß. Der hier ein Kriegsvolk satter Aehren Und dort ein Blumenheer wie Jungfrau'n sproßt, Daß Balsamwolken wandelten zum Himmel, Ein Festgeruch dem Herrn: Er krönte unser Jahr mit Palmen, Daß Segensströme niederthaueten, Er schloß die Stadt zum Fels, hob unsre Häuser Hoch zu Palästen auf, Umlagert' uns, statt Kriegesheeren, Mit Schiffen – ja, rings um uns ward Die Flur ein Paradies, da die Monarchin Als Göttin zu uns kam. Heil uns, wir sahn Sie, deren Adler, So wie Aurorens goldne Flügel, Ruh Auf uns herabgießt – sahn Sie, deren Scepter Mit Weisheit Riga hält. Drum jauchze, Land, dem Kronengeber, Daß er Sie Dir geschenkt, daß Du Sie sahst! Sing, Landmann, wenn Du mähst, Ihr Erntelieder, Wo Sie als Ceres fuhr! »Heil uns, wir streueten Ihr Kränze!« So singt, Jungfrauen, einst zum Hochzeitsreihn! Und Euer Bräut'gam sing': »Vor Ihr, der Sonne, Blüht' ich zum Manne auf!« »Zum Mann auch ich!« so hüpft der Jüngling. »Zum Jüngling ich!« so lallt das Kind und drückt Der Mutter Brust. Die jauchzt; der Ungeborne Hüpft froh in ihrem Schooß. Und sterbend hebt der Greis die Hände Und segnet Sie, zum letzten neuen Jahr: »Seht lange, lange Sie, mein Sohn und Enkel! Ich aber geh' heut hin Zum Friedensheer des vor'gen Jahres Und küsse, Freude weinend, noch Ihr Bild! Im Todtenreich, mit allen meinen Brüdern, Da segn' ich Ihr noch nach, Bring' Ihres vor'gen Jahres Tage Vor Gott, und höre Jeden Gnade schrein Und Thaten rühmen, edler als der Lorbeer, Mit Brüderblut gedüngt. Dann eilt ein neues Jahr zum Lohne Als Segensbot' im Seraphsglanz herab, Gießt Ihrem Adler schreckend Feu'r ins Auge, Daß er sein Reich bedeckt, Wo Grazien und Künste blühen Und Tugend bis zum Himmel Blumen trägt. Dann, Söhne, opfert Dank und lebt in Unschuld, Daß einst Ihr sterbt wie ich!«