Die Wiege Wer ist der kleine Sklave, der in Banden Aus diesem frühen Sarge Klagen weint? – Mein Bruder? Brüder, o, so löset seine Banden, Macht seinen Seufzern Platz! die hemmt kein Feind. Der Wurm kann sich im Tode krümmen, winden, Das Lamm fleht seinen Mörder an; Und einen, Euren Säugling laßt Ihr binden, Kaum daß er seufzen kann! O Weltankömmling, Deinen zarten Händen Prägt dieses Band elende Knechtschaft ein; Um Deinen Gang von Sarg zu Sarg zu enden, Mußt Du der Sklaven ew'ger Sklave sein. Dies Trauerlied war's, das im Weben Die Parze Deinem Schicksal sang, Da sie Dein Band zum Leben Als Kette um Dich schlang. O, wenn Du einst im Chaos von Ideen Arbeitest, Fesseln fühlst und aufwärts ringst, Wenn Du schiffbrüchig einst, um Tag zu sehen, Vom Abgrund, wie im Eisenpanzer, dringst, Einst schaust nach neuen Aethersbahnen, Wie Sonnenpferde rasch, Du einst Nach neuen Unterthanen Blut mit Heldenthränen weinst – Nicht weibisch Wasser; wenn aus Deiner Seele Dir in die Flügel stürmet Adlerswuth, Du wägst den schweren Leib im Staub der Höhle, Und immer mehr lockt Dich der Sonne Gluth; Doch schon vom ersten Morgensterne Ermattet, blickst zur Tiefe Du herab Und schaust in grauer Ferne Den Erdball, der Dich gab: Dann pocht Dein Herz, daß, die auf Erden wohnen, Zu Staub geboren sind, zu Finsterniß. Vielleicht erdrückte Dir Gedankenmillionen Der erste Griff, der Dich zum Lichte riß; Der erste Zug aus Mutterbrüsten Gab Dir vielleicht ein Maaß von Pein, Von tausend schwarzen Lüsten Und Gift und Lastern ein; Nein, Säugling, Tränk in Deine Säfte, Ruh in Dein Herz und Seele ins Gehirn. Stets laben Dich mit Milch der Tugend Kräfte; Stets lache so, wie jetzo, Deine Stirn; Nie sprech' Dein Vater aus Erbarmen Dir zu: »O Sohn, hätt' ich Dich nicht gezeugt!« Nie sprech' ein Kreis von Armen: »Den hat ein Thier gesäugt!«