Romanze Es weidet dort im grünen Thal Ein Hirt von hoher Art. Die Schäflein, die er weidet, all' Sind weiß und fromm und zart. Jüngst that nach einem irren Lamm Er ängstlich suchen gehn Und stieg auf hohen Baumes Stamm, Sich weit herum zu sehn. Er ist dem Lämmlein gar so gut, Drum ruft und klagt er laut; Denn – ach! – er kennt des Wolfes Wuth, Der gierig längst geschaut. »Und kommst du nicht, geliebtes Lamm, Und fühlst nicht meine Noth, So steig' ich nicht von diesem Stamm Und härme mich zu Tod.« Dann bricht er Rosen von dem Baum Und wirft sie, krank und matt, Hernieder auf den grünen Raum, Dem Lamm zur Lagerstatt: »Und bin ich nun im Tode bleich, Und kommt mein Lämmlein spät, So ruht es doch auf Rosen weich, Die meine Hand gesä't. – Ich habe dich so treu geliebt, So milde führt' ich dich; Du hast mich in den Tod betrübt: Die Liebe tödtet mich. Fahr' wohl, du undankbares Lamm! Fahr' wohl, du treulos Herz! Und kommst du einst zu diesem Stamm, So denk' an meinen Schmerz.« – Nun brach so trüb und lebenssatt Des treusten Hirten Blick; Da kam aus ferner Wüste matt Das irre Lamm zurück. Und als es seinen Hirten sah, Bereut' es seine Flucht, Und nimmer hat es fern noch nah Mehr Weid' und Trank gesucht. Es nährt sich von des Baumes Laub, Daran sein Hirt erblich; Es wählt gewelkter Rosen Staub Zum sanften Lager sich. Es scheut nicht Dorn, nicht Stein noch Kluft, Nicht Gluth noch rauhes Wehn, Bis einst der Hirt zur Weide ruft, Wo treue Lämmlein gehn.