Das Vöglein im Käfig (Dem Bruder.) Mein Sehnen und Bangen Nach Dir nur verlangen. Ein Vöglein sitzt gefangen Im engen Kerker sein Und schlägt die Eisenstangen Mit wunden Flügelein. Es weht zu ihm herüber Der frohen Brüder Lied; Bald nah, bald fern vorüber Manch freier Vogel zieht. Wie möcht' es auch so gerne Durch blaue Lüfte ziehn; Wie blickt es in die Ferne Nach frischer Wälder Grün. Wie fröhlich wollt' es loben Mit süßem Sang und Klang Den Herrn im Himmel droben Sein kurzes Leben lang. – Arm Vöglein mag nicht singen, Ist traurig und allein, Thut auf und nieder springen Im engen Kerker sein. Und singt es einmal leise Mit krankem Schnäbelein, So klingt nur Trauerweise Tief aus dem Herzen sein. – Ach, Vöglein, dein Verlangen, Das fühl' ich all mit dir; Dein Sehnen und dein Bangen Brennt auch im Busen mir. Mich zieht nach Südens Auen Wie dich der Sehnsucht Schmerz: Den Bruder möcht' ich schauen, Ihm sinken an das Herz. Mit ihm dann wollt' ich loben In süßem Sang und Klang Den Herrn im Himmel droben Mein ganzes Leben lang. Wiesbaden, Sommer 1826.