Dem gekränkten Freunde Wenn meine Lippen schweigen, Mein Haupt sich niederbückt Und stille Thränen zeugen, Daß tiefer Schmerz mich drückt, Und wenn verhehltes Klagen Aus meiner Brust sich drängt: Woll'st nimmer dann mich fragen, Was meine Seele kränkt. Daß ich Dich einst verkannte Und daß ich zürnend mich Von Deinem Herzen wandte, Das kränkt mich mehr als Dich. – Wenn schwer sich aufwärts hebend Mein müdes Auge bricht Und meine Lippe bebend Das letzte Amen spricht, Wenn meine Händ' erkalten, Zum reuigen Gebet Sich fromm noch einmal falten Und still das Herz mir steht: Auch dann woll'st Du nicht fragen, Was sterbend mich noch kränkt, Und was die letzten Klagen Aus meinem Busen drängt. Daß ich Dein Herz verkannte, Von Deiner Liebe mich In harter Strenge wandte, Das quält noch sterbend mich. O Bruder, dann verzeihe, Was ich mir nie verziehn; Dann möge meiner Reue Vergebung ewig blühn. Und dann wirst Du mir drüben Die Hand versöhnend weihn, Und dann wird auch Dein Lieben Verklärt und selig sein: »Denn eine einz'ge Treue Ist aller Liebe werth, Und eine einz'ge Reue Zerbricht das Richterschwert.« Coblenz, 1825.