Pilgerlauf Es war in früher Stille Beim ersten Lerchenlied, Als mir der ew'ge Wille Den Wanderstab beschied. Ich sprang auf jungem Rasen, Wo Wiesenblumen blühn, Wo zarte Lämmlein grasen, Ein frohes Mägdlein, hin. Es hatte Gottes Güte Mir Kindessinn verliehn; Ich sah aus jeder Blüthe Die ew'ge Liebe blühn. Und Bäum' und Blüthenranken Erfüllten mich mit Lust, Und Jauchzen nur und Danken Bewegte mir die Brust. – Doch gift'ge Dunstgebilde In falscher Farben Schein, Sie bargen Seine Milde Zu bald den Blicken mein. Ich lauschte eitler Thoren Verlockendem Gesang, Der den getäuschten Ohren Wie Weisheitslehre klang. Des Stolzes böses Wähnen Umstrickte mir den Sinn: Es trieb mich rastlos Sehnen Zu schnödem Wissen hin. Da wich der Einfalt Taube, Der ich so treulos war: Es floh der fromme Glaube Und ließ mich trostesbar. Und weiter ging ich immer Und suchte reines Licht Und folgte falschem Schimmer Und sah die Sonne nicht. Bis fernes Glockenklingen An meine Ohren schlug Und himmelreines Singen Die Luft herübertrug. Ich wahrt' auf Felsenhöhe Die Kirche, ernst und alt; Es zog in ihre Nähe Mich heilige Gewalt. In ihrer Mitte prangen Sah ich der Sonne Schein – Da bin ich eingegangen Zum treu'sten Vater mein. Und hab' in heißer Aschen Und herber Thränenfluth Mein Pilgerkleid gewaschen Und selig ausgeruht. Da war vom ew'gen Tode Die Seele rückgekehrt Und ward mit heil'gem Brode Am reinen Tisch genährt. Und in der Kirche Garten, Auf grünem Rasengrund Sollt' ich der Lämmlein warten Wohl bis zur Abendstund'. Es war in Mittagsstille, Wann heiß die Sonne glüht, Als mir der Liebe Wille Den Hirtenstab beschied. Ich that auf duft'ge Matten, Wo klare Bächlein sprühn, Wo hohe Palmen schatten, Mit meinen Lämmlein ziehn. Und jegliche Beschwerde, Sie duld' ich froh und gern Und führe Seine Heerde Treu bis zum Abendstern. Bald ruft des Glöckleins Schallen Mich von der Arbeit ab, Und gern der Hand entfallen Wird dann der Pilgerstab. Aachen, St. Leonhard, den 30. März 1832.