Dem Bruder (Am Abend vor Pfingsten.) Trüb dacht' ich jener harten Stunde, Da ein geliebtes Leben schied, Um das des Schmerzes Doppelwunde Stets frisch mir in dem Herzen glüht, Bis – bald vielleicht – auch meinem Munde Der letzte Lebenshauch entflieht. Ich fühlte Dein verarmtes Leben Zugleich mit meinem tiefen Leid; So früh geknickt Dein schönes Streben! Dein Lauf gebrochen vor der Zeit! Dein Geist – ach! kann sich nicht erheben Aus seiner tiefen Traurigkeit. Und immer bänger ward mein Sinnen, Und immer schärfer schnitt der Schmerz; Ich konnte Frieden nicht gewinnen, Die Wehmuth spaltete mein Herz Und nahm den Glaubensmuth von hinnen Und zog die Seele erdenwärts. Da scholl ein feierliches Läuten Zu mir herab von Thurmes Höh'; Es will uns heil'ge Feier deuten Und Himmelstrost im Erdenweh – O, laß die Seele uns bereiten, Daß sie dem Herrn entgegengeh'! Auch uns're Sonne, sie wird sinken; Wohl uns, wenn hell die Leuchte scheint! Dann wird Sie uns hinüberwinken, Um die jetzt unser Auge weint, Dann seh'n wir ihre Krone blinken, In sel'ger Liebe ihr geeint. Noch aber gilt's sich zu erheben, Zu ringen nach dem ew'gen Licht; Noch gilt's dem Pfund, das Gott gegeben, Noch gilt's der Tagesarbeit Pflicht. O, Herr! hilf unserm kranken Streben, Daß es die Bahn zu Dir sich bricht! O, lehr' uns glauben, lieben, leben! O, sende Deines Geistes Licht! Wiedenbrück, 14. Mai 1858.