Kleine Symphonie 1. Stürmend und drängend Er trat auf hohe Bergeskuppe, Frührot beschien sein Angesicht, Der Nebeldrache zog die Schuppe Zurück in tiefer Klüfte Schicht. Ein frisches Brausen war zu hören, Frei atmete die Brust der Welt, Die Gipfel grauer Wetterföhren Durchschauert's morgenwindgeschwellt: »Der Gipfel Hauch hat mich geboren, Der Höhen Licht hat mich gezeugt, Rütteln will ich an Gottes Toren, Bis Gott sich meinem Geiste beugt. Der Erde Ball will ich betreten Mit unerhörtem Siegerschritt, Ich will den Teig der Menschheit kneten, Bis höchste Form den Kranz erstritt. Von blöden Augen will ich reißen Die trüben Schleier Not und Wahn, Und ein Erobrer will ich heißen, Doch Glück umleuchte meine Bahn! Ich weiß, was in den Tiefen schmachtet, Ich wittre, was zum Lichte drängt, Und schon als Kind hab ich verachtet, Was uns in Rost und Ketten zwängt. Du Glaube, der den Sinn zerrüttet, Du Satzung, die das Leben narrt, Weh euch, die ihr erstickt, verschüttet Das Glutgefühl der Gegenwart! Ein Feuer ist in mich geschlagen Von unsichtbarer Riesenhand, Das muß von Herd zu Herd ich tragen Durch das erschreckte Menschenland. Ich sehe Hände mir erhoben Und Augen mir entgegenglühn, Viel arme Toren hör' ich toben, Die lichtscheu sich im Finstern mühn. Die wollen nichts von meinen Gaben, Und schmähend kehren sie sich fort, Um ihre Toten zu begraben Mit Lippenwerk und Lügenwort. Denn was die Helden je empfunden, Die sie verhimmeln blickverklärt, Verleugnen sie zu allen Stunden, Die ihr gewöhnlich Dasein währt. Und was im Leben sie erdrücken, Was ihr erdrückter Sinn verdammt, Das preisen nun mit Mundentzücken Sie heilig, hehr und gottentstammt. Verstehen will ich und umfassen, O Einfalt, dich, die nicht versteht, Doch diese Heuchler muß ich hassen, Die Lügen strafen ihr Gebet. Vielleicht, daß einst ein Strahl des Lichtes Der Einfalt Dämmer noch erhellt, Vom Zug des niederträchtigen Wichtes Bleibt häßlich die Natur entstellt. – ... Gleichviel! Ich höre Adler schreien, Um meine Stirne rauscht ihr Flug, Ich bin gekommen zu befreien Und folge meines Wesens Zug. Der Maulwurf mag im Dunkel wühlen, Der Uhu flattern durch die Nacht, Ich will des Äthers Wonnen fühlen Und suchen, was allselig macht.« Er stand auf hoher Felsenwarte, In Föhrenharfen griff der Wind, Sein Urlied durch die Kronen knarrte: »Die Welt blitzt auf im Menschenkind.« 2. Leichtlockend Wandelnd über blumige Matten, In berückender Augen Bann, Die ans lockende Leben gatten, Jauchzt der jugendstrotzende Mann: »Von den Höhen stieg ich hernieder, Drosselschlag statt der Adler Schrei, Flammen spielen durch meine Glieder, Fliederduftig lacht der Mai. Flammen kommen vom lieblichen Kinde, Jäh entzündend das hitzige Herz, Schmeichlerisch kosen lenzliche Winde, Närrisch wechselt Entzücken und Schmerz. Zärtlichkeiten zittern und steigen, Ach, und so wunderlich bin ich verliebt, Wie den erbebenden Birkenzweigen Jeder Hauch ihre Richtung gibt. Maiengrün will ich als Fahne hissen, »Brennende Liebe« mein purpurn Panier, Meine Sterne sind die Narzissen, Meine Himmel ein Gruß von Ihr. « Jauchzt der jugendstrotzende Mann, Wandelnd über blumige Matten, In berückender Augen Bann, Die ans lockende Leben gatten. 3. Schwermütig bewegt Einsam in der fremden Stadt Ging er seeentlang, Kleinlicher Scharmützel satt – Seine Seele sang: »Lege deine Hände sacht, Draus entquillt die Ruh, Auf dies Herz, denn du Hütest gütig, treue Mutter Nacht. Ach, wie fühl' ich wund! Riß denn alles mir entzwei? Rabengekrächz statt Adlerschrei! Statt des Heldenkampfes Zänkerei!« »Dem Gesindel will Ich in Nacht verborgen gehn, Nur mein reines Sternbild sehn, Das mich leitet weltentief und still. Was den Geist erfüllt, Was kein Lumpenpack mir rauben kann, Was ich mir in Wahrheit selbst gewann, Sei vom Tempeltuch der Nacht verhüllt! Leiden ward mein Teil, Schwere Schatten drückten auf mein Licht – Daß dies Herz nicht bricht, Mutter Nacht, mach meine Wunden heil!« Welle blinkte matt, Stumpfer Silberschein lag auf dem See – Einsam in der fremden Stadt Ging der Mann durch Kampfes Wut und Weh. 4. Fest gelassen. Zum Schluß triumphierend Fern versank die Einsamkeit. Herzgefährtin gab Geleit – Firnen glänzten frischbeschneit ... Und er sprach und zog der Lüfte Herben Reinheitsatem ein: »Unser Sein Sprengt der Schwermut öde Grüfte. Unser Leben ist Erlösen Von Verzweiflung alter Art, Neues Wesen Sprießt im Blute keimeszart. Wiederscheinen Seh ich meines Sehnens Glanz, In dem allertiefsten Einen Sind wir wahlverbunden, wesensganz. Ja, ich wußte – Selig Wissen! – daß du mich verstehst, Und ich mußte Deine Hand ergreifen, daß du mit mir gehst. Mit mir gehst durch Tiefen, Mit mir gehst durch Höhn, Unsre Stimmen riefen Sich ein Wort zu, ewig wahr und schön. Wort des neuen Lebens, Das die Welt vernahm, Höchsten Herzerhebens Über Geisteszwiespalt, Seelengram. Schwankend wird ein Glaube, Der im Menschenpaar sich nicht bewährt, Sinn versinkt im Staube, Der sich nicht zum Liebessinn verklärt. Rein aus Wirbelmassen Steigt ein fester Stern, Ich schwebt auf gelassen Und vermählt sich seinem Du so gern. Stark in unserm Bunde, Ficht kein Sturm uns an, Der im tiefsten Grunde Unsern Anker jemals lösen kann. Mächtiges Vertrauen, Weltvertraun zu zweit, Auf der Menschheit neues Morgengrauen Überwindet Zweifel und Zerrissenheit. Und wir wollen wieder Treten auf der Berge Hochaltar, Weißer Adler Glanzgefieder Wird umrauschen das erlöste Paar. Sehnlich kreißt die Erde, Freiheitswelt blitzt auf im Weibe schon, Und zuerst auf unserm Herde Soll der Weltenwende Siegesfeuer lohn.«