Der Heilige Nimbus Manch Heiliger von alters her Stand bei der Menschheit hoch in Ehr. Der eine, weil er Kranke heilte, Der andre, weil er Heiden keilte Für die katholische Verbindung, Der dritte wegen Mitempfindung Für alle Vögel auf dem Feld, Der ob der Unbegier für Geld Und sogenannte äußre Güter, Und der als Meister der Gemüter. Der Heilige, den ich erküre, Hat gänzlich andere Allüre, Er ist aus einem Material So schleierhaft wie schenial, Denn er besteht nur aus der Sohle Und sonst aus nichts als Aureole. Die Sohle freilich macht dafür So groß wie eine Kirchentür, Und tritt der Heilige herein, Möcht' alles gleich: »Der Herrgott!« schrein. Wo das Gespräch in vollem Brausen, Entsteht die tiefste aller Pausen, Man fällt vor Ehrfurcht von dem Platz – Das macht der hohe Untersatz. Die Sohle ist ein hohles Ding, Kautschuk mit Luft wie 'n Rettungsring, Doch eine Schelle pingpingping Betört selbst einen Sonderling, Der sonst sich schwer läßt imponieren Von annoncierten großen Tieren. Doch nach dem unteren Symbole Wirkt erst die obre Aureole Ganz unbeschreiblich mit dem Kranz Von Flimmerflammerflummerglanz. Da dreht sich statt dem Oberleibe Nur eine Riesenblendescheibe, Davor die Sonne sich verbirgt Und ihre Scham herunterwürgt. Und solcher Übersonnenschimmer Kommt nur von Talmiglas und -Glimmer, Dahinter sich wie ein Prolet Ein ganz gemeines Talglicht dreht. Wo nun der Heilige erscheint, Da ist man nahezu versteint. Wer sonst die Nase hochgetragen, Wagt kaum die Augen aufzuschlagen, Und wer sonst kein verlegner Lurch, Der ist vertattert durch und durch. Die Kniee knicken, daß es knackt, Die Wirbel biegen sich im Takt, Und auf dem Gipfelpunkt des Glanzes Beginnt nach Art des Eiertanzes Ein wunderlicher Ehrenstuß – Der Kotau macht sodann den Schluß. Wer diesen Heiligen nun benützt, Daß er besonders ihn beschützt, Der läßt um sich die Welt sich drehen, Weil alle nach dem Heiligen sehen, Der als ein magisch Transparent Vor seinem Schutzbefohlnen brennt. Vom Hausknecht an bis zu den Spitzen Fängt's an vor Hochachtung zu spritzen, Man glotzt geblendet auf das Licht Und sieht den – Talg vor Nimbus nicht. Sankt Nimbus ist der stolze Name Des Heiligen von Notreklame, Das in den böhmischen Wäldern liegt, Wo man es nie zu sehen kriegt. Wer mit ihm auftritt, mag geboren Als Schuster sein, er ist erkoren, Daß jede Festung sich ergibt, In die er seine Plempe schiebt. Ist er ein Ludewig der Gosse, Er wird vermittelst Rudolf Mosse, Vielleicht auch Haasenstein und Vogler, Zunächst ein süßer, frecher Mogler, Denn unser Heiliger bringt Heil Auch durch den Inseratenteil. Dann thront er bald im »Grand Hotelle« Beim »Souper« an der ersten Stelle, Sämtliche Schneider sind verrückt, Bald ist's beim Marschall ihm geglückt Just durch die fixste Kammerzofe, Und schließlich hält er – an – zu – Hofe. Doch von dem ordinären Lucki Ganz abgesehn, der Doljorucki Und Fürst Kanaljewitsch sich nennt – Der Heilige mit Transparent Macht selbst ganz unbescholtne Männer Zu einer Sensation für Kenner. Dem »im Detail« noch nachzuspüren, Das würde hier »zu weit mich führen«, Die Kunst ist kurz, die Elle lang, Wer zuviel schreibt, kriegt Blutandrang. Genug – man darf Herr Schulze heißen, Hat Nimbus er, kann er drauf – pfeifen Und wird, wenn es Sankt N. gefällt, Rasch Aufsichtsrat der ganzen Welt. Hast einen Zirkus du von Flöhen, Laß dich nur ominös »erhöhen«, Und bald ziehst du an einem Haar Die hohe Professorenschar Mitsamt den Frauen und den Töchten, Die sich dressieren lassen möchten. Bist du ein Schornalist, so nimm Den Majestatikus und schwimm Im Glanz der öffentlichen Meinung – Gen Himmel wächst die Schmockerscheinung. Ein sogenannter Dichter aber, Als welchen sticht des Ruhmes Haber, Er lasse bei dem Heiligen sich Versichern prompt. Hat er den Strich, Dann um so besser! Nur heran! Der Nimbus macht den Dichtersmann. Enorm wirkt hier die hohe Sohle Der allerdunkelsten Symbole, Gemischt aus Schall und blauem Dunst, Apartem Brei, besondrer Brunst. Der Nimbus adelt einen bloßen Nonsensplusultra gleich zum großen Gedanken – »Tiefsinn!« raunt der Snob, Und hurrehurrehopphopphopp Schreit das Gerücht den seltnen Kleister Zum Kunstwerk aus, den Matz zum Meister. So geht der Heilige Nimbus um, Er kennt, er kennt sein Publikum. Er ist – samt Sohle, Schein und Schelle – Von Haus aus Tapeziergeselle Und hat – das sei ihm nicht verdacht! – Es sehr weit auf der Welt gebracht.