Streik Ich fühle ein Zittern, Wie glüht meine Seele! Meine Nerven gewittern, Wie wenn der Blitz in die Sturmnacht zuckt. In Gelsenkirchen, Im schwarzen Ruhrkohlenland, Streiken die Grubenleute, Und ist ein gewaltiges Wesen im Gange. Man hat den Männern Das Licht hoch angerechnet, Das Sterbelämpchen der Fronfinsternis; Man hat genullt Und vom niedrigen Lohne gestrichen Alle die Wagen, Drin wie Kies in Gold Steine zwischen die Kohlen Spärlich geschlagen, Drin die Stücke einmal zu klein geschlagen. Und die man den Arbeitshunden gestohlen, Hat nach dreien Tagen Man ihnen wieder feilgespreizt Mit Tigertatze Zum höchsten Satze – Ächzend den genullten Sack Durfte das Pack Nun selber teuer nach Haus sich tragen. Und mit sinkenden Hungerlöhnen Bei steigenden Nahrungspreisen Wollte man sie gewöhnen, Zur Überschicht in die Höhlen zu reisen. Um zu leben, Haben sie sich den Geldsäcken ergeben, Verbrannt die Kohlen des eigenen Seins. Nimmer, nimmer wurden Sie des traurigen Lebens froh, Steinkohlengüter für die zu hauen, zu heben, Die Schaumglut saugen aus Champagnerreben Der feurigen Erbfeindin Witwe Cliquot. Die menschlichen Arbeitstiere Trugen ihr »freies Vertrags«-Glück Mit wildem Weh, Die göttlichen Börsenpapiere Schlugen, ein Freiherrenwagstück, In wilde Höh. Die Mägen zu millionisieren, Wurden die Muskeln genullt, Da zerriß den armen Tieren Der Strick der Geduld ... Und hauen nicht mehr Und schleppen nicht mehr Und treiben nicht mehr, Und die Wagen stehen kohlenleer. In Kesselräumen spazieren umher Die Inspizienten sohlenschwer. Der Rotte mehr Lohn und feste Schicht? »Erst Unterwerfung! Dann vielleicht Sind wir geneigt, Das zu bewilligen, was uns entspricht.« Unterwerfen? Sklaven, Leibeigene und Hörige Unterwarfen scheu sich dem Herrengesicht, Der Arbeiter von neunundachtzig Stirbt, aber unterwirft sich nicht ... Meine Seele jauchzt, Meine Saiten klingen, Wie wenn der Orkan durch Harfen braust. Bei den Werken Um Dortmund, Bochum und Essen Scharen die Männer sich zur Beratung Fest und gemessen. Zu den Fernsprechern stürzen Die Inspektoren: »Militär! Sonst sind wir verloren.« Mit Extrazug Fliegen die rettenden Götter Des Vaterlands. Vor die schwarzen Hundsfötter Blitzen Helmspitzen Im Sonnenglanz. »Seitengewehr – pflanzt auf!« Spannend beklommen Krümmt sich der Hauf In sich zusammen. – – Selig vom Kusse der Braut, Zitternder Ahnungen voll In die Nacht hinträumend, Schreitet heimwärts Friedlich die einsame Straße fort Ein junger Bursch. »Halt! Wer da?!« Kolbenstöße Wuchten ihm zwischen die Rippen. Entsetzengelähmt Schwankt er zur Hütte: »Vater, sie schlagen mich tot!« Mit tastendem Tritte Öffnet's die Türe: »Sohn, was geschieht? Komm nur, komm ruhig zu Bett!« Blitzend ein Bajonett Schlitzt durch das grobweiße Hemd Dem greisen Hauer. Todesschauer Flirren im brechenden Auge ... »Ach Gott! – Ach Gott!« Krachend zurück schlägt's auf die Diele Schwer, Über ihn der Sohn. – Der du 64, 66 und 70 Treu deinem Kaiser gedient, Pulver- und sonnverbrannt, Mit Gott für König und Vaterland – Alter, du fällst auf dem Felde der Ehre! Krämer und Schneider und kleine Rentiers Trippeln aufs Trottoir aus dem Häuschen, Tuscheln und zischeln ängstlich sich zu: »Das Militär verhetzt uns die Leute, Die Soldaten, Soldaten fort! Und schon wieder ist Blut geflossen, Eisenbahnpassagiere erschossen – Das ist Mord. Wenn der Kaiser nur käme Und man ihnen den Willen täte! Was sie fordern, ist nicht zu viel, Und sie gehen ruhig aufs Ziel. Sollen doch ordentlich weiterberaten! Aber die verfluchten Soldaten Treiben's mit einem Mal ins Extrem. Unheil, Unheil!« Schüsse fallen. Husch, husch ins Häuschen, zischeln und tuscheln Krämer, Schneider und kleine Rentiers, Trippeln und hören mit klopfenden Herzchen Die vorzüglichen Repetiergewehre knallen. Zu Berlin Im schimmernden Fahnenaudienzsaal Vor dem Kaiser Stramm ragen drei Abgesandte Der Grubenleute im Sonntagsanzug. Bergmann Schröder Schlecht und recht Dankt im Namen der Knappen, Dankt für die Gnade, Gehör zu finden. »Wir verlangen, Was wir ererbt, Achtstündige Schicht, Mehr vorderhand nicht. Aber die Arbeitszeit muß sich mindern. O Majestät, Mit einem Wort Können Sie furchtbares Elend lindern!« Und der junge, Dreißigjährige Thronherr Im Generalsrock Geruht zu reden. Neben ihm der Adjutant, Hinter ihm der Stenograph Schreiben die väterlich Strengen und warnenden, Wichtigen Kaiserworte auf: »Jeden Untertan Hört natürlich Des Herrschers Ohr. Ich nehme Anteil, Persönlichen Anteil An Euch. Ihr seid kontraktbrüchig. Ihr habt Euch Ins Unrecht gesetzt. Meine Behörden Werden nun prüfen, Was Rechtens ist, Und dann entscheiden.« Pause. Starr ins Auge Forscht er dem Bergmann, Dann: »Solches sag Ich in Gnaden, Und daneben allen Ernstes: Seid auf der Hut, Daß Ihr nicht Unrecht zum Unrecht tut! Laßt Mir die Politik aus dem Spiel, Kinder! Denn verliert Ihr den Halt, Fallt Ihr dem Aufruhr in den Schoß, Wandelt Ihr auf verbotenen Wegen (Und er schlägt mit der Faust auf den Degen,) Brauch' Ich Gewalt, Und Meine Gewalt ist groß. Jeder Sozialdemokrat Ist Mein Feind. Unnachsichtlich schieße Ich scharf. Bis jetzt hab Ich's noch gut gemeint, Was Ich dann nicht mehr darf. Fahrt nun nach Hause! Geht an die Arbeit! Seid willig! Kinder! Ich nehme Anteil, Persönlichen Anteil An Euch.« Ein huldschwer Nicken. Halbgläubig blicken Die Bergmänner: »Wir danken, Daß Majestät uns gehört. Wir sind nicht starrköpfig. Adjes!« Machen Kehrt, Und langsam rücken Mit breitem Rücken Sie aus dem schimmernden Fahnenaudienzsaal. Und schon fahren zu Tausenden wieder In die grausigen Tiefen sie nieder. Viel hundert Fuß Unterm Blumenboden, Kaum grüßt der Sonne Gruß Die Todmaroden. Liegen im Höhlenwasser nackt, Sind mit dreißig Jahren kontrakt. Atmen Sumpfgrubengase, Phosphorluft. Infernalische Blumenvase Haucht belebenden Maienduft. Köstliche Frucht Labt ihre Zungen, Liebliche Sucht Letzt ihre Lungen. Achtstündig römisch-russisches Bad, Drei Mark Badelohn obendrein: Welcher beladne Kommerzienrat Möchte nicht fröhlicher Bergmann sein? Tonwolkengedränge! Schwarzwildes Gemenge, Hohl gewitternde Rhythmenwucht ... Leise zitternde Hoffnungsklänge, Froh erschütternde Wetterflucht. Mir brennt im Busen das Weltgebot. Sie naht, sie naht, Die Wende der Not. Nun bin ich heiter bis in den Tod. Aus der Tiefe Seh ich sie steigen, Die Erlösung Unserer Welt, Zittern werden die Schlechten und Feigen, Wenn der menschenrettende Reigen Seinen leuchtenden Einzug hält. Kommt nun zu Hauf, Edle von nah und weit! Singt, sing der neuen Zeit Jubelnd Glückauf!