Gründeutschland So hängt denn mit den »grünen Jungen« Auch mich und schindet mein Gedicht! Schach eurem Spott! Er ist mißlungen. Ihr merkt den neuen Pulsschlag nicht. Ja, »Jungen« haben heiß empfunden, Was alt und kalt ihr nie gespürt, Wild bluteten die Herzenswunden, Von Widerhaken aufgerührt. Der Parzenfluch zerrissner Zeiten Peitscht' unser berstendes Gefühl Bis in die tiefsten Heimlichkeiten Zu sinnverwirrendem Gewühl. Die Odyssee im Bücherriemen Und Roms Rhetoren in der Hand, Entdeckten wir die neuen Kiemen Schon an der glühenden Schläfenwand. Wie frostig fieberten die Stunden, Wie schauderte die tote Müh, Wenn wir den zarten Geist geschunden Mit Ochsenziemern spät und früh! Wir fühlten in die Flut der Massen – Die Großstadt ist kein Internat – Und mit Erröten, mit Erblassen Sind wir der Zwingburg scheu genaht. In weiche Rinden dumm-verlogen Ward eingegerbt der Spuk und Spott, Des Lebens Wogen aber flogen Fern dem gequälten Griechengott. Gründeutschland hoch! Wir reihten wacker Schon damals gründeutsch Reim an Reim, Auf frischgebrochnem Musenacker Sproß unsre Traumsaat, Keim an Keim. Wir stöhnten Verse, wir umrissen In Prosa, was das Herz zerstückt, Wir schrieben Briefe dem Gewissen Und suchten Seelen, gleichbedrückt. O Schmerz, der unsrer Jugend Säulen Mit wahrer Föhngewalt durchkracht! Wer hört nicht das Verhängnis heulen, Dem Moloch wehrlos dargebracht? Die Knaben haben's nur empfunden, Ihr Kopf war heiß, ihr Herz war schwer, Sie siedeten aus ihren Wunden – Jetzt sind wir keine Knaben mehr. Jetzt ist das Wähnen Mann geworden, Erkenntnis ward des Fühlens Braut, Jetzt wird in ehernen Akkorden Das kommende Jahrhundert laut: Die neue Zeit Es hat ein Hammer aufgeschlagen Im menschlichen Maschinensaal, Der Amboß klang, und fortgetragen Wird sein Getön von Tal zu Tal. Die Berge zittern seinem Dröhnen, Die Meere wälzen seinen Ruf; Er bebt ans Ohr der Erde Söhnen Und lebt im Schönen, das er schuf. Aus ihrem dunklen Mutterschoße Wächst auf zur Kraft durch Not und Leid, Mit Mut gesäugt, die schöne, große, Freiblickende, die neue Zeit. Der Dampf umbraust des Kindes Wiege, Zur Hochzeit blühn ihr sternenklar Zum seltnen Lohn vollkommner Siege Leuchtblumenketten durch das Haar. Glückauf, du junge Zeit der Milde, Der Unschuld, die nur Wahrheit kennt, Die nach dem kühnen Geistesbilde Sich höher zu gestalten brennt! Wir richten unser Haupt zum Gruße Entgegen deiner edlen Zier, Wir streuen Blüten deinem Fuße Und huldigen und psalmieren dir. Gründeutschland Heil! Dir will ich widmen Zum Angebind dies Segenslied, Das mir mit hell und hellern Rhythmen Vorleuchtend durch die Seele zieht. O laß vom Wohlklang dich ergreifen! So klingt der Wahrheit Kehle nur. O laß von ihres Schleiers Streifen Zitternd umschweifen die Natur! Scharf schneide von dem Ton der Dinge Die Bildwelt, die du selbst erfüllst, Aus Leidenschaft den Meißel schwinge, Mit dem du meißelst, was du willst! Du bleibst nicht an der Fläche haften, Denn dich durchzuckt vom Kopf zur Zeh Die lauterste der Leidenschaften, Der Lebensatem der Idee. Wenn dich des Jammers Faust geschüttelt, Der Herzen mörderische Qual, Wenn dich das Elend wachgerüttelt Im großen Menschheitshospital; Wenn all dein Mitleid, all dein Schrecken Dich rührte mit dem grünen Reis Aus unsrer Zukunft Sonnenhecken, Schwebt dir aufs Haupt die Krone leis. Gründeutschland Heil! In deinem Spiegel Gewahre tief sich aller Schuld! In der Gedanken Schöpfertiegel Koch deine Säfte voll Geduld! Die Kräfte brausen in dem Kessel, Zart sprießt der Schönheit Diamant, Aus seiner Schlacken Fluß und Fessel Löst ihn des Genius Zauberhand.