Die Not Der Himmel glänzt in blauem Schein. – Am Wegesrand auf hartem Stein, Den Dorn und Distel zäh umklammern, Da sitzt ein Weib, des Blicke jammern Von herzzerreißend hartem Sein. Die Frau ward nicht von Jahren alt, Sie weilt noch auf des Lebens Höh, Tief hat ein übermächtig Weh Sich ihren Zügen eingekrallt. Und wo des Blutes Pulse pochen, Wo auch ein Herz nach Freude schrie, Klagt ein Geripp von Haut und Knochen: »Ich bin gemartert und zerbrochen, Vom Quell des Lebens trank ich nie.« Ein Gürtelgriff mit Kettenhand Schließt ihr durchlöchertes Gewand, Daß schamhaft es den Leib verdecke, Und ein Gespenst nicht schaurig schrecke Den Wanderer durchs Sonnenland. Mit Eisenfingern hält umspannt – Und trostlos sieht ihr Auge drein – Sie fest ein nacktes Mägdelein, In Dorn und Distel hergebannt. Das Mägdlein ist so fein und zart, Als sei's von Engelsform und -Art. Es sieht mit ahnungslosem Blick Das weltentstellende Geschick Und fragt mit unschuldvollem Walten: »Wer bist du, so mich festzuhalten?« Und grausig gellt's durchs goldne Tal Zum blumenlächelnden Gebild: »Zermalmen soll des Elends Qual Dein Wesen zart und lenzesmild, Bis dieser lichten Augen Mut Erloschen ist in trübem Schein, Bis dieser Haare güldne Flut Wird dünn und grau vor Jammer sein. Das nackte Dasein gab ich dir, Einst hockst du auf dem Steine hier, Mit Haut und Haaren gleichst du mir Und bettelst um ein Stückchen Brot – Bin deine Mutter, bin die Not.« Der Himmel glänzt in blauem Schein. – Wann schwillt von Rosen Dorn und Stein?