XXVIII. Liebe und Gegenliebe. Vom schweren Dienst der Eitelkeit, Von theuren Freunden voller Neid, Den Henkern unsrer Lebenszeit, Eil' ich den Freuden und der Ruh An deinem vollen Busen zu. Laß itzt mein Herz von dir erlernen, Die Sorgen scherzend zu entfernen. Zum irdschen Himmel wünscht es sich Nur dies, dein Schlafgemach, und dich. Der Gott der Liebe schließ' uns ein; Sonst komme Niemand! er allein Soll Pförtner, Zeug' und Hüter seyn! Ich seh' den unzufriednen Haufen Nach Höfen und Pallästen laufen, Wo Gold und Schmelz und helle Pracht Gefahr und Knechtschaft schimmernd macht. Doch will auch ich von deinen Knieen Zu solchem Sitz der Ehrsucht fliehen, Und wünsch' ich mir ein höher Gluck, Als dieses Lächeln, diesen Blick; So folge Qual und Ungemach Dem Meyneid zur Bestrafung nach; Und daß der Fluch vollkommen sey, Seh' ich mich groß, dich ungetreu. »So zeigt mit Schwüren und mit Küssen Leander, wie man heftig liebt, Dem, als bezaubert hingerissen, Die Schöne dies zur Antwort giebt:« Was kann mich auf der Welt betrüben, Willst du, mein Schatz, mich ewig lieben? Du, dessen Huld mich stolz gemacht, Mein Wunsch ben Tag, und Traum bey Nacht! O würde, wie ich dir geneigt, Durch mehr, als Weibermuth, gezeigt! Mich schrecket nichts; denn dir zu gut, Vergießt Elmira gern ihr Blut, Wenn ihre Grabschrift nur erzählt, Daß sie den Tod für dich erwählt! Hofft meine Sehnsucht nicht vergebens, Du Trost und Kleinod meines Lebens; So trennt den Bund der Zärtlichkeit Kein steigend Glück, kein stürzend Leid. Und sollten Schätze, Reich und Kronen Den Wechsel tausendfach belohnen; So heiß' ich, aus getreuem Sinn, Weit lieber deine Buhlerinn, Als eine große Königinn. 1 Wie viel ist mir an Dir verliehn! Wird mein Verlangen nicht zu kühn; So müssen sich noch unsre Schatten, Mit wiederholter Eintracht, gatten! »Ihr Götter, scheints euch selbst nicht schön, Zwo Seelen so vereint zu sehn? Sie seufzt, und reicht, zum Unterpfand, Die weiße, weiche, warme Hand. Ist dieses Paar nicht zu beneiden? Doch, dauren auch der Menschen Freuden? Nachdem er sich noch was verweilt, Und ihr den Abschiedskuß ertheilt, Eilt er von seiner Herrscherinn Den Augenblick zur Hofstatt hin; Sie aber auch den Augenblick In ihres Kleons Arm zurück, Der damals, als Leander kam, Zum Winkel seine Zuflucht nahm.« * * * O schönes Beyspiel gleicher Triebe! O wahres Muster heut'ger Liebe! Fußnoten 1 Ich rufe Gott zum Zeugen an, daß ich, wenn der Mann, der den größten Theil der Welt beherrscht, mich zu seiner Gemahlinn machen, und mir die Regierung seines Reiches, so lang ich lebte, übergeben wollte, daß ich es für eine größre Ehr' und Glückseligkeit halten würde, deine Geliebte, als jenes Mannes Königinn zu seyn. Heloisa in Epist. I ad Abaelardum.