5. Poseidon Die Sonnenlichter spielten Über das weithinrollende Meer; Fern auf der Reede glänzte das Schiff, Das mich zur Heimat tragen sollte; Aber es fehlte an gutem Fahrwind. Und ich saß noch ruhig auf weißer Düne, Am einsamen Strand, Und ich las das Lied vom Odysseus, Das alte, das ewig junge Lied, Aus dessen meerdurchrauschten Blättern Mir freudig entgegenstieg Der Atem der Götter, Und der leuchtende Menschenfrühling, Und der blühende Himmel von Hellas. Mein edles Herz begleitete treulich Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal, Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert, An gastliche Herde, Wo Königinnen Purpur spinnen, Und half ihm lügen und glücklich entrinnen Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen, Folgte ihm nach in kimmerische Nacht, Und in Sturm und Schiffbruch, Und duldete mit ihm unsägliches Elend. Seufzend sprach ich: »Du böser Poseidon, Dein Zorn ist furchtbar, Und mir selber bangt Od der eignen Heimkehr.« Kaum sprach ich die Worte, Da schäumte das Meer, Und aus den weißen Wellen stieg Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts, Und höhnisch rief er: »Fürchte dich nicht, Poetlein! Ich will nicht im g'ringsten gefährden Dein armes Schiffchen, Und nicht dein liebes Leben beängst'gen Mit allzu bedenklichem Schaukeln. Denn du, Poetlein, hast nie mich erzürnt, Du hast kein einziges Türmchen verletzt An Priamos' heiliger Feste, Kein einziges Härchen hast du versengt Am Aug' meines Sohns Polyphemos, Und dich hat niemals ratend beschützt Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene.« Also rief Poseidon Und tauchte zurück ins Meer; Und über den groben Seemannswitz Lachten unter dem Wasser Amphitrite, das plumpe Fischweib, Und die dummen Töchter des Nereus.