Zeitgedichte Deutschland. Ein Traum Sohn der Torheit! träume immer, Wenn dir 's Herz im Busen schwillt; Doch im Leben suche nimmer Deines Traumes Ebenbild! Einst stand ich in schönern Tagen Auf dem höchsten Berg am Rhein; Deutschlands Gauen vor mir lagen, Blühend hell im Sonnenschein. Unten murmelten die Wogen Wilde Zaubermelodei'n; Süße Ahndungschauer zogen Schmeichelnd in mein Herz hinein. Lausch ich jetzt im Sang der Wogen, Klingt viel andre Melodei: Schöner Traum ist längst verflogen, Schöner Wahn brach längst entzwei. Schau ich jetzt von meinem Berge In das deutsche Land hinab: Seh ich nur ein Völklein Zwerge, Kriechend auf der Riesen Grab. Such ich jetzt den goldnen Frieden, Den das deutsche Blut ersiegt, Seh ich nur die Kette schmieden, Die den deutschen Nacken biegt. Narren hör ich jene schelten, Die dem Feind in wilder Schlacht Kühn die Brust entgegenstellten, Opfernd selbst sich dargebracht. O der Schande! jene darben, Die das Vaterland befreit; Ihrer Wunden heil'ge Narben Deckt ein grobes Bettlerkleid! Muttersöhnchen gehn in Seide, Nennen sich des Volkes Kern, Schurken tragen Ehrgeschmeide, Söldner brüsten sich als Herrn. Nur ein Spottbild auf die Ahnen Ist das Volk im deutschen Kleid; Und die alten Röcke mahnen Schmerzlich an die alte Zeit: Wo die Sitte und die Tugend Prunklos gingen Hand in Hand; Wo mit Ehrfurchtscheu die Jugend Vor dem Greisenalter stand; Wo kein Jüngling seinem Mädchen Modeseufzer vorgelügt; Wo kein witziges Despötchen Meineid in System gefügt; Wo ein Handschlag mehr als Eide Und Notarienakte war; Wo ein Mann im Eisenkleide, Und ein Herz im Manne war. – Unsre Gartenbeete hegen Tausend Blumen wunderfein, Schwelgend in des Bodens Segen, Lind umspielt von Sonnenschein. Doch die allerschönste Blume Blüht in unsern Gärten nie, Sie, die einst im Altertume Selbst auf fels'ger Höh' gedieh; Die auf kalter Bergesfeste Männer mit der Eisenhand Pflegten als der Blumen beste – Gastlichkeit wird sie genannt. Müder Wandrer, steige nimmer Nach der hohen Burg hinan: Statt der gastlich warmen Zimmer Kalte Wände dich empfahn. Von dem Wartturm bläst kein Wächter, Keine Fallbrück' rollt herab; Denn der Burgherr und der Wächter Schlummern längst im kühlen Grab. In den dunkeln Särgen ruhen Auch die Frauen minnehold; Wahrlich hegen solche Truhen Reichern Schatz denn Perl' und Gold. Heimlich schauern da die Lüfte Wie von Minnesängerhauch; Denn in diese heil'gen Grüfte Stieg die fromme Minne auch. Zwar auch unsre Damen preis ich, Denn sie blühen wie der Mai; Lieben auch und üben fleißig Tanzen, Sticken, Malerei; Singen auch in süßen Reimen Von der alten Lieb' und Treu'; Freilich zweiflend im geheimen: Ob das Märchen möglich sei? Unsre Mütter einst erkannten, Sinnig, wie die Einfalt pflegt, Daß den schönsten der Demanten Nur der Mensch im Busen trägt. Ganz nicht aus der Art geschlagen Sind die klugen Töchterlein, Denn die Fraun in unsern Tagen Lieben auch die Edelstein'. Traum der Freundschaft – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Mocht auch Aberglauben herrschen – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Denn die schöne Jordansperle Hat des Römers Geiz verfälscht, – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Fort, ihr Bilder schönrer Tage! Weicht zurück in eure Nacht! Weckt nicht mehr die eitle Klage Um die Zeit, die uns versagt!