Disputation In der Aula zu Toledo Klingen schmetternd die Fanfaren; Zu dem geistlichen Turnei Wallt das Volk in bunten Scharen. Das ist nicht ein weltlich Stechen, Keine Eisenwaffe blitzet – Eine Lanze ist das Wort, Das scholastisch scharf gespitzet. Nicht galante Paladins Fechten hier, nicht Damendiener – Dieses Kampfes Ritter sind Kapuziner und Rabbiner. Statt des Helmes tragen sie Schabbesdeckel und Kapuzen; Skapulier und Arbekanfeß Sind der Harnisch, drob sie trutzen. Welches ist der wahre Gott? Ist es der Hebräer starrer Großer Eingott, dessen Kämpe Rabbi Juda, der Navarrer? Oder ist es der dreifalt'ge Liebegott der Christianer, Dessen Kämpe Frater Jose, Gardian der Franziskaner? Durch die Macht der Argumente, Durch der Logik Kettenschlüsse Und Zitate von Autoren, Die man anerkennen müsse, Will ein jeder Kämpe seinen Gegner ad absurdum führen Und die wahre Göttlichkeit Seines Gottes demonstrieren. Festgestellt ist: daß derjen'ge, Der im Streit ward überwunden, Seines Gegners Religion Anzunehmen sei verbunden, Daß der Jude sich der Taufe Heil'gem Sakramente füge, Und im Gegenteil der Christ Der Beschneidung unterliege. Jedem von den beiden Kämpen Beigesellt sind elf Genossen, Die zu teilen sein Geschick Sind in Freud und Leid entschlossen. Glaubenssicher sind die Mönche Von des Gardians Geleitschaft, Halten schon Weihwasserkübel Für die Taufe in Bereitschaft, Schwingen schon die Sprengelbesen Und die blanken Räucherfässer – Ihre Gegner unterdessen Wetzen die Beschneidungsmesser. Beide Rotten stehn schlagfertig Vor den Schranken in dem Saale, Und das Volk mit Ungeduld Harret drängend der Signale. Unterm güldnen Baldachin Und umrauscht vom Hofgesinde Sitzt der König und die Kön'gin; Diese gleichet einem Kinde. Ein französisch stumpfes Näschen, Schalkheit kichert in den Mienen, Doch bezaubernd sind des Mundes Immer lächelnde Rubinen. Schöne, flatterhafte Blume – Daß sich ihrer Gott erbarme – Von dem heitern Seineufer Wurde sie verpflanzt, die arme, Hierher in den steifen Boden Der hispanischen Grandezza; Weiland hieß sie Blanch' de Bourbon, Doña Blanka heißt sie jetzo. Pedro wird genannt der König Mit dem Zusatz der Grausame; Aber heute, milden Sinnes, Ist er besser als sein Name. Unterhält sich gut gelaunt Mit des Hofes Edelleuten; Auch den Juden und den Mohren Sagt er viele Artigkeiten. Diese Ritter ohne Vorhaut Sind des Königs Lieblingsschranzen, Sie befehl'gen seine Heere, Sie verwalten die Finanzen. Aber plötzlich Paukenschläge, Und es melden die Trompeten, Daß begonnen hat der Maulkampf, Der Disput der zwei Athleten. Der Gardian der Franziskaner Bricht hervor mit frommem Grimme; Polternd roh und widrig greinend Ist abwechselnd seine Stimme. In des Vaters und des Sohnes Und des Heil'gen Geistes Namen Exorzieret er den Rabbi, Jakobs maledeiten Samen. Denn bei solchen Kontroversen Sind oft Teufelchen verborgen In dem Juden, die mit Scharfsinn, Witz und Gründen ihn versorgen. Nun die Teufel ausgetrieben Durch die Macht des Exorzismus, Kommt der Mönch auch zur Dogmatik, Kugelt ab den Katechismus. Er erzählt, daß in der Gottheit Drei Personen sind enthalten, Die jedoch zu einer einz'gen, Wenn es passend, sich gestalten – Ein Mysterium, das nur Von demjen'gen wird verstanden, Der entsprungen ist dem Kerker Der Vernunft und ihren Banden. Er erzählt: wie Gott der Herr Ward zu Bethlehem geboren Von der Jungfrau, welche niemals Ihre Jungferschaft verloren; Wie der Herr der Welt gelegen In der Krippe, und ein Kühlein Und ein Öchslein bei ihm stunden, Schier andächtig, zwei Rindviehlein. Er erzählte: wie der Herr Vor den Schergen des Herodes Nach Ägypten floh, und später Litt die herbe Pein des Todes Unter Pontio Pilato, Der das Urteil unterschrieben, Von den harten Pharisäern, Von den Juden angetrieben. Er erzählte: wie der Herr, Der entstiegen seinem Grabe Schon am dritten Tag, gen Himmel Seinen Flug genommen habe; Wie er aber, wenn es Zeit ist, Wiederkehren auf die Erde Und zu Josaphat die Toten Und Lebend'gen richten werde. »Zittert, Juden!« rief der Mönch, »Vor dem Gott, den ihr mit Hieben Und mit Dornen habt gemartert, Den ihr in den Tod getrieben. Seine Mörder, Volk der Rachsucht, Juden, das seid ihr gewesen – Immer meuchelt ihr den Heiland, Welcher kommt, euch zu erlösen. Judenvolk, du bist ein Aas, Worin hausen die Dämonen; Eure Leiber sind Kasernen Für des Teufels Legionen. Thomas von Aquino sagt es, Den man nennt den großen Ochsen Der Gelehrsamkeit, er ist Licht und Lust der Orthodoxen. Judenvolk, ihr seid Hyänen, Wölfe, Schakals, die in Gräbern Wühlen, um der Toten Leichnam' Blutfraßgierig aufzustöbern. Juden, Juden, ihr seid Säue, Paviane, Nashorntiere, Die man nennt Rhinozerosse, Krokodile und Vampire. Ihr seid Raben, Eulen, Uhus, Fledermäuse, Wiedehöpfe, Leichenhühner, Basilisken, Galgenvögel, Nachtgeschöpfe. Ihr seid Vipern und Blindschleichen, Klapperschlangen, gift'ge Kröten, Ottern, Nattern – Christus wird Eu'r verfluchtes Haupt zertreten. Oder wollt ihr, Maledeiten, Eure armen Seelen retten? Aus der Bosheit Synagoge Flüchtet nach den frommen Stätten, Nach der Liebe lichtem Dome, Wo im benedeiten Becken Euch der Quell der Gnade sprudelt – Drin sollt ihr die Köpfe stecken – Wascht dort ab den alten Adam Und die Laster, die ihn schwärzen; Des verjährten Grolles Schimmel, Wascht ihn ab von euren Herzen! Hört ihr nicht des Heilands Stimme? Euren neuen Namen rief er – Lauset euch an Christi Brust Von der Sünde Ungeziefer! Unser Gott, der ist die Liebe, Und er gleichet einem Lamme; Um zu sühnen unsre Schuld, Starb er an des Kreuzes Stamme. Unser Gott, der ist die Liebe, Jesus Christus ist sein Name; Seine Duldsamkeit und Demut Suchen wir stets nachzuahmen. Deshalb sind wir auch so sanft, So leutselig, ruhig, milde, Hadern niemals, nach des Lammes, Des Versöhners, Musterbilde. Einst im Himmel werden wir Ganz verklärt zu frommen Englein, Und wir wandeln dort gottselig, In den Händen Lilienstenglein. Statt der groben Kutten tragen Wir die reinlichsten Gewänder Von Muss'lin, Brokat und Seide, Goldne Troddeln, bunte Bänder. Keine Glatze mehr! Goldlocken Flattern dort um unsre Köpfe; Allerliebste Jungfraun flechten Uns das Haar in hübsche Zöpfe. Weinpokale wird es droben Von viel weiterm Umfang geben, Als die Becher sind hier unten, Worin schäumt der Saft der Reben. Doch im Gegenteil viel enger Als ein Weibermund hienieden, Wird das Frauenmündchen sein, Das dort oben uns beschieden. Trinkend, küssend, lachend wollen Wir die Ewigkeit verbringen, Und verzückt Halleluja, Kyrie eleison singen.« Also schloß der Christ. Die Mönchlein Glaubten schon, Erleuchtung träte In die Herzen, und sie schleppten Flink herbei das Taufgeräte. Doch die wasserscheuen Juden Schütteln sich und grinsen schnöde. Rabbi Juda, der Navarrer, Hub jetzt an die Gegenrede: »Um für deine Saat zu düngen Meines Geistes dürren Acker, Mit Mistkarren voll Schimpfwörter Hast du mich beschmissen wacker. So folgt jeder der Methode, Dran er nun einmal gewöhnet, Und anstatt dich drob zu schelten, Sag ich Dank dir, wohlversöhnet. Die Dreieinigkeitsdoktrin Kann für unsre Leut' nicht passen, Die mit Regula-de-tri Sich von Jugend auf befassen. Daß in deinem Gotte drei, Drei Personen sind enthalten, Ist bescheiden noch, sechstausend Götter gab es bei den Alten. Unbekannt ist mir der Gott, Den ihr Christum pflegt zu nennen; Seine Jungfer Mutter gleichfalls Hab ich nicht die Ehr' zu kennen. Ich bedaure, daß er einst, Vor etwa zwölfhundert Jahren, Ein'ge Unannehmlichkeiten Zu Jerusalem erfahren. Ob die Juden ihn getötet, Das ist schwer jetzt zu erkunden, Da ja das Corpus delicti Schon am dritten Tag verschwunden. Daß er ein Verwandter sei Unsres Gottes, ist nicht minder Zweifelhaft; soviel wir wissen, Hat der letztre keine Kinder. Unser Gott ist nicht gestorben Als ein armes Lämmerschwänzchen Für die Menschheit, ist kein süßes Philantröpfchen, Faselhänschen. Unser Gott ist nicht die Liebe; Schnäbeln ist nicht seine Sache, Denn er ist ein Donnergott Und er ist ein Gott der Rache. Seines Zornes Blitze treffen Unerbittlich jeden Sünder, Und des Vaters Schulden büßen Oft die späten Enkelkinder. Unser Gott, der ist lebendig, Und in seiner Himmelshalle Existieret er drauflos Durch die Ewigkeiten alle. Unser Gott, und der ist auch Ein gesunder Gott, kein Mythos Bleich und dünne wie Oblaten Oder Schatten am Cocytos. Unser Gott ist stark. In Händen Trägt er Sonne, Mond, Gestirne; Throne brechen, Völker schwinden, Wenn er runzelt seine Stirne. Und er ist ein großer Gott. David singt: Ermessen ließe Sich die Größe nicht, die Erde Sei der Schemel seiner Füße. Unser Gott liebt die Musik, Saitenspiel und Festgesänge; Doch wie Ferkelgrunzen sind Ihm zuwider Glockenklänge. Leviathan heißt der Fisch, Welcher haust im Meeresgrunde; Mit ihm spielet Gott der Herr Alle Tage eine Stunde – Ausgenommen an dem neunten Tag des Monats Ab, wo nämlich Eingeäschert ward sein Tempel; An dem Tag ist er zu grämlich. Des Leviathans Länge ist Hundert Meilen, hat Floßfedern Groß wie König Ok von Basan, Und sein Schwanz ist wie ein Zedern. Doch sein Fleisch ist delikat, Delikater als Schildkröten, Und am Tag der Auferstehung Wird der Herr zu Tische beten Alle frommen Auserwählten, Die Gerechten und die Weisen – Unsres Herrgotts Lieblingsfisch Werden sie alsdann verspeisen, Teils mit weißer Knoblauchbrühe, Teils auch braun in Wein gesotten, Mit Gewürzen und Rosinen, Ungefähr wie Mateloten. In der weißen Knoblauchbrühe Schwimmen kleine Schäbchen Rettich – So bereitet, Frater Jose, Mundet dir das Fischlein, wett ich! Auch die braune ist so lecker, Nämlich die Rosinensauce, Sie wird himmlisch wohl behagen Deinem Bäuchlein, Frater Jose. Was Gott kocht, ist gut gekocht! Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an, Opfre hin die alte Vorhaut Und erquick dich am Leviathan.« Also lockend sprach der Rabbi, Lockend, ködernd, heimlich schmunzelnd, Und die Juden schwangen schon Ihre Messer wonnegrunzelnd, Um als Sieger zu skalpieren Die verfallenen Vorhäute, Wahre spolia opima In dem wunderlichen Streite. Doch die Mönche hielten fest An dem väterlichen Glauben Und an ihrer Vorhaut, ließen Sich derselben nicht berauben. Nach dem Juden sprach aufs neue Der katholische Bekehrer; Wieder schimpft er, jedes Wort Ist ein Nachttopf, und kein leerer. Darauf repliziert der Rabbi Mit zurückgehaltnem Eifer; Wie sein Herz auch überkocht, Doch verschluckt er seinen Geifer. Er beruft sich auf die Mischna, Kommentare und Traktate; Bringt auch aus dem Tausves-Jontof Viel beweisende Zitate. Aber welche Blasphemie Mußt er von dem Mönche hören! Dieser sprach: der Tausves-Jontof Möge sich zum Teufel scheren. »Da hört alles auf, o Gott!« Kreischt der Rabbi jetzt entsetzlich; Und es reißt ihm die Geduld, Rappelköpfig wird er plötzlich. »Gilt nichts mehr der Tausves-Jontof, Was soll gelten? Zeter! Zeter! Räche, Herr, die Missetat, Strafe, Herr, den Übeltäter! Denn der Tausves-Jontof, Gott, Das bist du! Und an dem frechen Tausves-Jontof-Leugner mußt du Deines Namens Ehre rächen. Laß den Abgrund ihn verschlingen, Wie des Korah böse Rotte, Die sich wider dich empört Durch Emeute und Komplotte. Donnre deinen besten Donner! Strafe, o mein Gott, den Frevel – Hattest du doch zu Sodoma Und Gomorrha Pech und Schwefel! Treffe, Herr, die Kapuziner, Wie du Pharaon getroffen, Der uns nachgesetzt, als wir Wohlbepackt davongeloffen. Hunderttausend Ritter folgten Diesem König von Mizrayim, Stahlbepanzert, blanke Schwerter In den schrecklichen Jadayim. Gott! da hast du ausgestreckt Deine Jad, und samt dem Heere Ward ertränkt, wie junge Katzen, Pharao im Roten Meere. Treffe, Herr, die Kapuziner, Zeige den infamen Schuften, Daß die Blitze deines Zorns Nicht verrauchten und verpufften. Deines Sieges Ruhm und Preis Will ich singen dann und sagen, Und dabei, wie Mirjam tat, Tanzen und die Pauke schlagen.« In die Rede grimmig fiel Jetzt der Mönch dem Zornentflammten: »Mag dich selbst der Herr verderben, Dich Verfluchten und Verdammten! Trotzen kann ich deinen Teufeln, Deinem schmutz'gen Fliegengotte, Luzifer und Beelzebube, Belial und Astarothe. Trotzen kann ich deinen Geistern, Deinen dunkeln Höllenpossen, Denn in mir ist Jesus Christus, Habe seinen Leib genossen. Christus ist mein Leibgericht, Schmeckt viel besser als Leviathan Mit der weißen Knoblauchsauce, Die vielleicht gekocht der Satan. Ach! anstatt zu disputieren, Lieber möcht ich schmoren, braten Auf dem wärmsten Scheiterhaufen Dich und deine Kameraden.« Also tost in Schimpf und Ernst Das Turnei für Gott und Glauben, Doch die Kämpen ganz vergeblich Kreischen, schelten, wüten, schnauben. Schon zwölf Stunden währt der Kampf, Dem kein End' ist abzuschauen; Müde wird das Publikum, Und es schwitzen stark die Frauen. Auch der Hof wird ungeduldig, Manche Zofe gähnt ein wenig. Zu der schönen Königin Wendet fragend sich der König: »Sagt mir, was ist Eure Meinung? Wer hat recht von diesen beiden? Wollt Ihr für den Rabbi Euch Oder für den Mönch entscheiden?« Doña Blanka schaut ihn an, Und wie sinnend ihre Hände Mit verschränkten Fingern drückt sie An die Stirn und spricht am Ende: »Welcher recht hat, weiß ich nicht – Doch es will mich schier bedünken, Daß der Rabbi und der Mönch, Daß sie alle beide stinken.«