4. Untergang der Sonne Die schöne Sonne Ist ruhig hinabgestiegen ins Meer; Die wogenden Wasser sind schon gefärbt Von der dunkeln Nacht, Nur noch die Abendröte Überstreut sie mit goldnen Lichtern; Und die rauschende Flutgewalt Drängt ans Ufer die weißen Wellen, Die lustig und hastig hüpfen, Wie wollige Lämmerherden, Die abends der singende Hirtenjunge Nach Hause treibt. »Wie schön ist die Sonne!« So sprach nach langem Schweigen der Freund, Der mit mir am Strande wandelte, Und scherzend halb und halb wehmütig, Versichert' er mir: die Sonne sei Eine schöne Frau, die den alten Meergott Aus Konvenienz geheiratet; Des Tages über wandle sie freudig Am hohen Himmel, purpurgeputzt Und diamantenblitzend, Und allgeliebt und allbewundert Von allen Weltkreaturen, Und alle Weltkreaturen erfreuend Mit ihres Blickes Licht und Wärme; Aber des Abends, trostlos gezwungen, Kehre sie wieder zurück In das nasse Haus, in die öden Arme Des greisen Gemahls. »Glaub mir's« – setzte hinzu der Freund, Und lachte und seufzte und lachte wieder – »Die führen dort unten die zärtlichste Ehe! Entweder sie schlafen oder sie zanken sich, Daß hochaufbraust hier oben das Meer, Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört, Wie der Alte sein Weib ausschilt: ›Runde Metze des Weltalls! Strahlenbuhlende! Den ganzen Tag glühst du für andre, Und nachts, für mich, bist du frostig und müde!‹ Nach solcher Gardinenpredigt, Versteht sich! bricht dann aus in Tränen Die stolze Sonne und klagt ihr Elend, Und klagt so jammerlang, daß der Meergott Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt, Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt, Um Luft und Besinnung zu schöpfen. So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht, Bis an die Brust dem Meer enttauchen. Er trug eine Jacke von gelbem Flanell, Und eine lilienweiße Schlafmütz', Und ein abgewelktes Gesicht.«