1. Auf dem Haupt trug er den Lorbeer, Und an seinen Stiefeln glänzten Goldne Sporen – dennoch war er Nicht ein Held und auch kein Ritter. Nur ein Räuberhauptmann war er, Der ins Buch des Ruhmes einschrieb, Mit der eignen frechen Faust, Seinen frechen Namen: Cortez. Unter des Kolumbus Namen Schrieb er ihn, ja dicht darunter, Und der Schulbub' auf der Schulbank Lernt auswendig beide Namen – Nach dem Christoval Kolumbus, Nennt er jetzt Fernando Cortez Als den zweiten großen Mann In dem Pantheon der Neuwelt. Heldenschicksals letzte Tücke: Unser Name wird verkoppelt Mit dem Namen eines Schächers In der Menschen Angedenken. Wär's nicht besser, ganz verhallen Unbekannt, als mit sich schleppen Durch die langen Ewigkeiten Solche Namenskameradschaft? Messer Christoval Kolumbus War ein Held, und sein Gemüte, Das so lauter wie die Sonne, War freigebig auch wie diese. Mancher hat schon viel gegeben, Aber jener hat der Welt Eine ganze Welt geschenket, Und sie heißt Amerika. Nicht befreien konnt er uns Aus dem öden Erdenkerker, Doch er wußt ihn zu erweitern Und die Kette zu verlängern. Dankbar huldigt ihm die Menschheit, Die nicht bloß europamüde, Sondern Afrikas und Asiens Endlich gleichfalls müde worden – – Einer nur, ein einz'ger Held, Gab uns mehr und gab uns Beßres Als Kolumbus, das ist jener, Der uns einen Gott gegeben. Sein Herr Vater, der hieß Amram, Seine Mutter hieß Jochebeth, Und er selber, Moses heißt er, Und er ist mein bester Heros. Doch, mein Pegasus, du weilest Viel zu lang bei dem Kolumbus – Wisse, unser heut'ger Flugritt Gilt dem g'ringern Mann, dem Cortez. Breite aus den bunten Fittich, Flügelroß! und trage mich Nach der Neuwelt schönem Lande, Welches Mexiko geheißen. Trage mich nach jener Burg, Die der König Montezuma Gastlich seinen span'schen Gästen Angewiesen zur Behausung. Doch nicht Obdach bloß und Atzung, In verschwenderischer Fülle, Gab der Fürst den fremden Strolchen – Auch Geschenke reich und prächtig, Kostbarkeiten klug gedrechselt, Von massivem Gold, Juwelen, Zeugten glänzend von der Huld Und der Großmut des Monarchen. Dieser unzivilisierte, Abergläubisch blinde Heide Glaubte noch an Treu' und Ehre Und an Heiligkeit des Gastrechts. Er willfahrte dem Gesuche, Beizuwohnen einem Feste, Das in ihrer Burg die Spanier Ihm zu Ehren geben wollten – Und mit seinem Hofgesinde, Arglos, huldreich, kam der König In das spanische Quartier, Wo Fanfaren ihn begrüßten. Wie das Festspiel war betitelt, Weiß ich nicht. Es hieß vielleicht: »Span'sche Treue!«, doch der Autor Nannt sich Don Fernando Cortez. Dieser gab das Stichwort – plötzlich Ward der König überfallen, Und man band ihn und behielt ihn In der Burg als eine Geisel. Aber Montezuma starb, Und da war der Damm gebrochen, Der die kecken Abenteurer Schützte vor dem Zorn des Volkes. Schrecklich jetzt begann die Brandung – Wie ein wild empörtes Meer Tosten, rasten immer näher Die erzürnten Menschenwellen. Tapfer schlugen zwar die Spanier Jeden Sturm zurück. Doch täglich Ward berennt die Burg aufs neue, Und ermüdend war das Kampfspiel. Nach dem Tod des Königs stockte Auch der Lebensmittel Zufuhr; Kürzer wurden die Rationen, Die Gesichter wurden länger. Und mit langen Angesichtern Sahn sich an Hispaniens Söhne, Und sie seufzten und sie dachten An die traute Christenheimat, An das teure Vaterland, Wo die frommen Glocken läuten Und am Herde friedlich brodelt Eine Ollea Potrida, Dick verschmoret mit Garbanzos, Unter welchen, schalkhaft duftend, Auch wohl kichernd, sich verbergen Die geliebten Knoblauchwürstchen. Einen Kriegsrat hielt der Feldherr, Und der Rückzug ward beschlossen; In der nächsten Tagesfrühe Soll das Heer die Stadt verlassen. Leicht gelang's hineinzukommen Einst durch List dem klugen Cortez, Doch die Rückkehr nach dem Festland Bot fatale Schwierigkeiten. Mexiko, die Inselstadt, Liegt in einem großen See, In der Mitte, flutumrauscht: Eine stolze Wasserfestung, Mit dem Uferland verkehrend Nur durch Schiffe, Flöße, Brücken, Die auf Riesenpfählen ruhen; Kleine Inseln bilden Furten. Noch bevor die Sonne aufging, Setzten sich in Marsch die Spanier; Keine Trommel ward gerühret, Kein Trompeter blies Reveille. Wollten ihre Wirte nicht Aus dem süßen Schlafe wecken – (Hunderttausend Indianer Lagerten in Mexiko). Doch der Spanier machte diesmal Ohne seinen Wirt die Rechnung; Noch frühzeit'ger aufgestanden Waren heut die Mexikaner. Auf den Brücken, auf den Flößen, Auf den Furten harrten sie, Um den Abschiedstrunk alldorten Ihren Gästen zu kredenzen. Auf den Brücken, Flößen, Furten, Hei! da gab's ein toll Gelage! Rot in Strömen floß das Blut, Und die kecken Zecher rangen – Rangen Leib an Leib gepreßt, Und wir sehn auf mancher nackten Indianerbrust den Abdruck Span'scher Rüstungsarabesken. Ein Erdrosseln war's, ein Würgen, Ein Gemetzel, das sich langsam, Schaurig langsam, weiterwälzte, Über Brücken, Flöße, Furten. Die Indianer sangen, brüllten, Doch die Spanier fochten schweigend; Mußten Schritt für Schritt erobern Einen Boden für die Flucht. In gedrängten Engpaßkämpfen Boten g'ringen Vorteil heute Alteuropas strenge Kriegskunst, Feuerschlünde, Harnisch, Pferde. Viele Spanier waren gleichfalls Schwer bepackt mit jenem Golde, Das sie jüngst erpreßt, erbeutet – Ach, die gelbe Sündenlast Lähmte, hemmte sie im Kampfe, Und das teuflische Metall Ward nicht bloß der armen Seele, Sondern auch dem Leib verderblich. Mittlerweile ward der See Ganz bedeckt von Kähnen, Barken; Schützen saßen drin und schossen Nach den Brücken, Flößen, Furten. Trafen freilich im Getümmel Viele ihrer eignen Brüder, Doch sie trafen auch gar manchen Hochvortrefflichen Hidalgo. Auf der dritten Brücke fiel Junker Gaston, der an jenem Tag die Fahne trug, worauf Konterfeit die heil'ge Jungfrau. Dieses Bildnis selber trafen Die Geschosse der Indianer; Sechs Geschosse blieben stecken Just im Herzen – blanke Pfeile, Ähnlich jenen güldnen Schwertern, Die der Mater dolorosa Schmerzenreiche Brust durchbohren Bei Karfreitagsprozessionen. Sterbend übergab Don Gaston Seine Fahne dem Gonzalvo, Der zu Tod getroffen gleichfalls Bald dahinsank. – Jetzt ergriff Cortez selbst das teure Banner, Er, der Feldherr, und er trug es Hoch zu Roß bis gegen Abend, Wo die Schlacht ein Ende nahm. Hundertsechzig Spanier fanden Ihren Tod an jenem Tage; Über achtzig fielen lebend In die Hände der Indianer. Schwer verwundet wurden viele, Die erst später unterlagen. Schier ein Dutzend Pferde wurde Teils getötet, teils erbeutet. Gegen Abend erst erreichten Cortez und sein Herr das sichre Uferland, ein Seegestade, Karg bepflanzt mit Trauerweiden.