Das Opfer des Frühlings Sah ich je ein Blau, wie droben Klar und voll den Himmel schmückt? Nicht in Augen, sanft gehoben, Nicht in Veilchen, still gebückt! Leiser scheint der Fluß zu wallen Unter seinem Widerschein, Vögel schweigen, und vor Allen Dämmert meine Seele ein. Doch, es gilt auch eine Feier! Schaut den Lenz im Morgenglanz! Hinter grauer Nebel Schleier Flocht der Jüngling sich den Kranz. Wenn sein Hauch, die Nebel theilend, Ihn zu früh' schon halb verrieth, Wich er scheu zurück, enteilend In ein dunkleres Gebiet. Dennoch steh'n, ihn zu empfangen, Seine Kinder schon bereit: Rose mit den heißen Wangen, Mandelbaum im weißen Kleid! Veilchen, die des Sommers Brüten Bald erstickt, sie harren auch, Keusche Lorbeern selbst erglühten; Denn sie Alle traf sein Hauch. Nun, mit fast verschämtem Lächeln, Zieht er ein in's schöne Reich; Ihm die glüh'nde Stirn zu fächeln, Nah'n die Morgenwinde gleich. Doch, ihn selber kühlend, stehlen Sie so viel der holden Glut, Als, die Blumen, die noch fehlen, Zu erwecken, nöthig thut. Flugs nun auf den leichten Schwingen Eilen sie durch Hain und Thal, Und vor ihren Küssen springen Spröde Knospen ohne Zahl. Jeder Busch, wie sie ihn streifen, Wird zum bunten Blütenstrauß, Und die Wurzeln, die noch steifen, Treiben erstes Grün heraus. Doch nun lös't sich, alle Farben Zu erhöh'n und allen Duft, Das verschluckte Licht in Garben Reinen Goldes aus der Luft. Sind das Stralen? Sind das Sterne, Die der Tag in Flammen schmolz? Alles funkelt, nah' und ferne, Berg und Wald, ja Stein und Holz! Horcht! Vor diesem Glanze fahren Auch die Vögel aus dem Traum, D'rin sie still versunken waren, Wieder auf im blauen Raum; Aber dick und rauchend steigen Wolken heißen Dufts empor, Und nun fällt in's dumpfe Schweigen Neu betäubt zurück ihr Chor. Fürder, immer fürder schreitend, Kommt der Jüngling an den Fluß, Der, sich rings in's Land verbreitend, Alles tränkt, was trinken muß. Aber heute möge dürsten, Was da will, er hält sich an Und versucht, ob er den Fürsten Durch sein Bild nicht fesseln kann. Denn, wenn dieser, süß betroffen, Hier sich selbst im Spiegel schaut, Krönt sein Blick das leise Hoffen, Dem die Welle still vertraut; Sei er noch so schnell und flüchtig, Jene Lilje wird geweckt, Die, wie keine, keusch und züchtig, Sich in ihren Schooß versteckt. Und wie sollte er nicht säumen? Sieht er denn sich selber nur? Nicht zugleich, die seinen Träumen Leben gab, die blüh'nde Flur? Wenn's ihn auch vorüber triebe An der eig'nen Huldgestalt, Fesselte ihn doch die Liebe An die Braut mit Allgewalt. Ach, er zögert wonnetrunken! Aber lange bleibt er nicht In den süßen Rausch versunken, Nein, er wendet das Gesicht! Denn ihm sagt ein inn'res Stocken, Daß die Götter neidisch sind, Und ihm däucht, mit seinen Locken Spiele schon ein and'rer Wind. Da beschleicht ihn dumpfe Trauer, Ihm erlischt der Wange Roth, Und ihn mahnt ein kalter Schauer An den Tod, den frühen Tod; Doch, von dem durchzuckt, entzittert, Wie von selbst, sein Kranz dem Haar, Der die Ew'gen ihm erbittert, Und sein Fuß zertritt ihn gar. Plötzlich Stille jetzt! Die Winde Ruh'n, wie auf ein Zauberwort, Doch in jedem Frühlingskinde Bebt der Todesschauer fort, Und ein hast'ger Blüten-Regen Macht das duft'ge Opfer voll, Das verhalt'nen Fluch in Segen, Haß in Liebe wandeln soll. Aber nun den stolzen Wipfel Jeder Baum zur Erde neigt, Nun auf hohem Berges-Gipfel Selbst der Kühnste Demuth zeigt, Nun erhebt der Jüngling wieder Sanft das Haupt, das er gesenkt, Und ein Oelblatt säuselt nieder, Das versöhnt der Neid ihm schenkt.