Der Magdalenenwein Die heilige Magdalena ruht in ihrer Höhle tief versteckt, sie hat mit rotem Büsserblut den wonniglichen Leib befleckt. Aus ihren Gliedern wich die Lust des holden Lebens ganz und gar, kaum athmet noch die junge Brust unter dem flutenden, reichen Haar. Da steigt im Glanz des Sonnenscheins ein Jüngling von der Felsenwand, und eine Schale dunklen Weins hält er in seiner weichen Hand. Und sprach: Ich bin Dionysos, bin alles Lebens reichster Freund, vom frohsten Strahl des Helios sieh meinen nackten Leib gebräunt. Das dürre Holz in deiner Hand, drauf du den kranken Blick gesenkt, ist meinen Augen Spuk und Tand, ein hässlich Bild, verzerrt, verrenkt. Ein Menschenglück in seinem Lauf hemmt Tod und fremdes Elend nicht – o heb die tiefen Augen auf zu meines Lebens Freud und Licht. Das rote Blut auf deiner Haut ist röter nicht, als dieser Wein – der Himmel, der dir draussen blaut, ist blauer nicht, als deiner nassen Augen Schein. – Drauf hat er ihr den Wein gereicht, den sie mit langen Zügen trank; und als er sich herabgeneigt, sie selig an die Brust ihm sank.