77. Die Thräne – fürchte ich – zerreisst Den Schleier, der den Gram mir deckt; Dann läuft, wie Mährchen, durch die Welt Das, was so sorgsam ich versteckt. Die Leute sagen: »Durch Geduld Wird zum Rubin der Kieselstein.« Wohl wird er es, allein er wird's Durch Blut des Herzens nur allein. Des Nebenbuhlers Dünkel treibt In des Erstaunens Enge mich! O Gott, zu Würde und zu Rang Erhebe nie der Bettler sich! Es wohnet, o Zipresse, dir Im Haupte ein gar stolzer Wahn: Reicht meine gar so kurze Hand Zu deinem Gürtel je hinan? Aus jeder Ecke sandte ich Der Bitten Pfeile ab; – vielleicht, Dass unter ihnen Einer doch Das vorgesetzte Ziel erreicht. Dies Herrscherschloss, worinnen du Dem Auge als ein Mond erscheinst, Erblickt' als seiner Schwelle Staub Gar manche edle Häupter einst. Durch deiner Liebe Alchimie Ward meine Wange laut'res Gold; Ja wohl, zu Golde wird der Staub, Bist du nur gnädig ihm und hold. Gar manches Sinnige thut Noth – Nicht etwa die schöne Form allein – Um dem Gemüthe eines Manns, Der Einsicht hat, genehm zu sein. Hin in die Schenke will ich geh'n Und flehen um Gerechtigkeit: Denn aus des Grames rauher Hand Werd' ich vielleicht nur dort befreit. O Seele! Was mir widerfuhr, Dem Holden sage es dein Mund; Doch sag' er's auf so feine Art, Dass es dem Ost nicht werde kund. Sei, wenn ein Leid dich einmal trifft, Nicht so beklomm'nen Herzens doch! Geh' hin und danke Gott vielmehr: Sonst wird das Schlimme schlimmer noch. O Herz, ergib dich in Geduld Und fasse dich; denn endlich bricht Der Morgen dieses Abends an, Und diese Nacht wird Tageslicht. Die Spitze Seines Moschushaars Ruht nun in deiner Hand, Hafis : Drum ziehe deinen Athem ein, Denn sonst erfährt's der Ost gewiss. Zum Kuss des Fusses hebt Hafis Sein Haupt einst aus des Grabes Nacht, Wenn du die Erde, die ihn deckt, Zum Schild für deinen Fuss gemacht.