Leonore (Magdalene Eleonore Jachmann) Dresden August 1719 – Breslau Herbst 1720 Auf der Abreise von Dresden in sein geliebtes Schlesien Den 2. Sept. An. 1719. Kommt, tröstet mich, ihr alten Tage, Und last euch einmahl wiedersehn, Sonst muß ich bey so scharfer Plage Den Tod um Hülf und Rettung flehn. Ihr martert mein bedrängtes Herze, Ihr seyd es, was mein Leid verstärckt, Denn wüst ich nichts von eurem Schmerze, So hätt ich kaum die Noth gemerckt. Ihr habt mir dort durch Lenchens Küße Mund, Sehnsucht und Geschmack verwöhnt, Sobald mir die geneigten Schlüße Den Weg ins Paradies gebähnt. Auf Zucker wächst des Wermuths Schärfe Wie jezt mein Creuz auf eurer Lust; Denn wenn ich dies in mir entwerfe, So ächzet die gedrange Brust. Dort saß ich noch im Rosengarthen, Dort wüntscht ich nichts als Ewigkeit, Der süßen Arbeit abzuwarthen, Mit der mich Lenchens Gunst erfreut. Dort spielt ich mit dem lieben Kinde Früh, mittags, abends, durch die Nacht Und hielt den Augenblick vor Sünde, Den ich und sie getrennt vollbracht. Kein Plaz war unserm Lager enge, Kein Winckel unsrer Lust zu klein, Wir hatten ganz besondre Gänge Und nennten Glück und Angst gemein. Viel Wächter stunden uns im Lichte, Doch Arglist ward durch List berückt, Da wurden die verbothnen Früchte Mit größrer Sehnsucht abgepflückt. Wie viel vergnügt- und gute Lieder Geriethen mir an ihrer Hand! Ich ging die Weistriz auf und nieder, Bis daß ich sie am Ufer fand; Hier scherzten wir in allem Wetter, Oft eh der Tag die Wolcken brach, Und rauschten denn die Erlenblätter, So ahmten unsre Küße nach. Kehrt, güldne Zeiten, kehrt zurücke Und führt mich gleich persönlich hin, Da, wo ich mit entferntem Blicke Und sehnlichen Gedancken bin. Wie? Hat mein Wuntsch ein solch Vermögen? Ich seh, ihr kommt bereits gerand; Doch nein, ich zieh euch selbst entgegen Und seh bereits ins Vaterland. Dies ahnt vielleicht dem holden Kinde, Weil Neigung die Gemüther zieht; Wer weis, wie brünstig und geschwinde Ihr Blick auf alle Straßen sieht! Mein Engel, las dich nicht verlangen, Die Freude bringt das Warthen ein, Es mahlt sich mir auf deinen Wangen Des beßern Glückes Morgenschein. Nun gute Nacht, du edles Sachsen, Behalt die Thränen meiner Qual! Wie viel davon schon Graß gewachsen, Das weis dein Speck- und Rosenthal. Ich will dir gern mein Leid vergeben, Nur gieb dem kleinen Lorchen Ruh, Denn weil die Sterne widerstreben, So sag ich ihm nur Freundschaft zu. Du aber, seeliges Gefilde, Sey hunderttausendmahl gegrüßt! Nun seh ich, wie gerecht und milde Des Himmels weise Führung ist; Nunmehr erfahr ich deßen Freude, Der dort den Rauch von Ithaca Nach glücklich überstandnem Leide, Wie ich mein Striegau, wiedersah. Du weis- und ewiges Erbarmen, Das überschwenglich ist und thut, Vergnüge mich in Lenchens Armen Und schenck uns nur ein kleines Gut; Erhalt mir Weißheit, Kunst und Dichten Und las mich, wenn mein Cörper fällt, Kein blind und giftig Urtheil richten, So neid ich keinen auf der Welt.