Rosette (Anna Rosina Lange) Leipzig 1718 Als Selimor Amarinden seine Liebe nicht entdecken durfte Ihr still- und kahl- und öden Gründe, Behaltet dieses Wort bey euch: Ich leid und darf mich nicht beklagen, Ich lieb und fürcht es euch zu sagen: Die Brust der hohen Amarinde Ist mir ein Blick ins Himmelreich. Mit diesen Worten trug erst heute Der arme Dichter Selimor Der grünen Einsamkeit die lange Sehnsucht vor; Denn weil er die Gesellschaft scheute, So wehlt' er oft das Rosenthal Zum Arzte seiner Qual Und zum Vertrauten seiner Liebe, Die jezt mit stärckerm Triebe Durch Augen und durch Lippen brach. Er dachte seiner Schickung nach: Wie lang er doch noch weinen sollte Und ob denn Glück und Stern Sich ewig grausam stellen wollte. Er hätte gern Den Anfang seiner Ruh gemacht, Nachdem ihm die vergangne Nacht Ein holder Strahl von Amarindens Mienen So unverhoft ins Herz gelacht. Ein andrer würde sich des Vortheils leicht bedienen; Er aber sprach: Was hilft es dich? Was hilft es dich, verlaßnes Kind? Hier magstu nur die Hofnung sparen, Dieweil der Lenz von deinen Jahren Dir sonder Fried und Lust verschwindt. Du weist, daß Kunst und Treu nicht trüget, Wo Hoheit und Vermögen gilt; Darum vergiß das schöne Bild, Das deine Lust an Stand und Schönheit überwieget. O ungerechter Unterscheid, Den Wahn und Geld im Lieben sezen! Wie glücklich war noch jene Zeit, Da jeder nur nach Wunsch gefreyt! Man wuste weniger von Schäzen, Doch mehr von Treu und Zärtligkeit. So sang, so fuhr er fort: Ich darf nur ja kein Wort Um Amarindens Huld verlieren; Wie würd mich ihre Hoheit führen! Mein Leib, mein Vers, mein Angesicht Sind ziemlich zu Gefallen, Geburth und Beuthel trügt mich nicht – Hier störten ihn die Nachtigallen, So daß sich sein betrübter Mund Fast selber nicht verstund; Drum hielt er erstlich etwas ein Und lies hernach die Flöthe schreyn: Ihr kleinen Schwezer habt gut lachen, Ihr liebt und könt euch glücklich machen, Ihr scherzt und buhlt mit wem ihr wollt Und braucht doch weder Schmuck noch Gold; Die Mode wehrt euch keine Freude, Ihr dürft vor keiner Thüre stehn; O stecktet ihr in meinem Kleide, Das Singen sollt euch wohl vergehn. Da seht mich hier, den Armen, mich! Die Seufzer wälzen sich, Die Augen brennen unter Quellen; Von allen meinen Unglücksfällen Ist keiner so gar elendsvoll, Als daß ich sehn und meiden Und doch noch leben soll. O ungemeines Leiden! O schönes Kind, verstündestu, Wie wenig dein, Wie redlich mein, Wie gut mein Herze lieben könne! O köntestu empfinden, Wie viel verliebte Kunst und Treu In dieser Brust vergraben sey: Ich weis, du liebtest mich, Ich weis, du ließest dich Den tollen Modezwang nicht binden; Du ließest Tittul, Hof und Stand Und nähmst mich bey der Hand Und folgtest mir durch Thal und Höh Bis an das Eußerste der weiten Wintersee. In Begleitung meiner Füße, In Gesellschaft sanfter Küße Reist man freudig durch Gefahr. Herzen, die einander kennen Und durch Wüst- und Klippen rennen, Werden keiner Furcht gewahr. Hier schwieg der müde Selimor, Zerlegte sein beneztes Rohr Und wollte gleich den Rückweg suchen, Und weil er noch zwei glatte Buchen Vor seinen Gram bequem befand, So schnidt er mit geübter Hand Ein traurig Denckmahl in die Rinden: O Himmel, las in dieser Schrift Manch treues Aug Ergözung finden Und schone, wenn dein Bliz um diese Gegend trift! So tief steht Amarind im Herzen, Als hier ihr Nahm in Holz gerizt; So viel vergieß ich reine Schmerzen, Als hier Aurora Perlen schwizt. Ich kan ihr Herz so schwer erreichen Als wie den Gipfel dieser Klee; Doch läst sie mir dies Liebeszeichen, So schweig und trag ich gern mein Weh.