Landeshut Oktober 1721 – Jena 15. März 1723 Auf das Evangelium am XXIII. Sonntage nach Trinitatis Egypten stieg vordem an Stärcke So wie an Ehrgeiz und Verstand Und legte Reichthum, Sinn und Hand An lauter seltne Wunderwercke, Von welchen noch der halbe Rest Und manche tief verfallne Mauer Nicht sonder einen heilgen Schauer Die alte Größe kennen läst. Der Baukunst seltnes Meisterstücke War überhaupt der Tempelpracht; Die Dächer warfen in der Nacht Den Sternen ihren Schein zurücke; Werth, Arbeit, Marmor und Metall Vermehlten ihre Kostbarkeiten Und trozten fast auf allen Seiten Sowohl die Schönheit als den Fall. Strahlt außen so ein Lustgepränge, Wie herrlich wird's von innen seyn! Kommt mit, last sehn! Was nimmt euch ein? Ein Eckel vor der Gözen Menge. Hier steht ein scheuslich Afenbild Nebst Fischen, Kazen, Hund- und Ziegen, Dort seht ihr einen Pfafen liegen, Den Blut und Sof mit Andacht füllt. Ihr flieht mit Grauen aus dem Tempel. Ach, aber flieht doch selbst aus euch: Ihr seyd dem Gözenhause gleich, Ihr seht und seyd auch ein Exempel. Euch Heuchler fahr ich christlich an, Euch, euch, ihr übertünchten Wände, Euch, derer Schmincke böser Hände Die Lauge nicht vertragen kan. Ihr schmeichelt mit gelaßnen Blicken, Ihr gebt Gedult und Sanftmuth vor Und wist des Pöbels Herz und Ohr Mit holder Andacht zu berücken; Ihr puzet Canzel und Altar, Last Arm- und Wittwenhäuser bauen, Ihr bethet, singt und weint als Frauen Und bannt die Kezer alle Jahr. Wie steht es aber um die Herzen? Da nisten Unversöhnligkeit, Haß, Hochmuth, Zwietracht, Zorn und Streit. So fahrt nur fort, mit Gott zu scherzen! Ihr seyd der Rache nicht zu klug; Sie wird euch, ohne zu verkennen, Die Larven vom Gesichte brennen, Und dies noch allzeit früh genug. Es sind zwar alles schwere Sünden, Und keine scheint so schlecht und klein, Sie muß des Todes schuldig seyn Und unbereut die Hölle finden; Doch eures Lasters Wichtigkeit, Ihr aufgeblasnen Pharisäer, Geht darum tausend Stafeln höher, Weil keine Beßrung Trost verleiht. Du Abgrund von des Höchsten Gnade, Du Geist des Trostes und Gebeths, Erinnre mich doch jezt und stets Der Reinigung vom Sündenbade. Mein Herz wird vor dein Heiligthum Als ein befleckt Gefäß erfunden, Drum wasch es in des Heilands Wunden Und geuß es durch dein Feuer um.