[Brutus. 2] 1 Die Sonne taugte sich im Schoos des Abends nieder Ihr lezter Scheideblick fiel auf der Römer Heer Es sandte hier der Tod sein ehrenes Gefieder Und alle wateten in einem blut'gen Meer Die weite Ebne raucht die Rosse stampfen wilder Im wütenden Gefecht erklingen schwere Schilder. 2 Schon naht die Dämmrung sich, und die Entscheidung weilet Der Sieg schwankt ungewis, in Brutus Seele flammt Der stählerne Entschlus, wenn ihm das Glück enteilet Flieht er dem Grabe zu was auch daraus entstammt Und seinem Schwure hat sich Kassius Schwur verbunden Nicht in Gefangenschaft zu zählen Trauer Stunden. 3 Jetzt sinkt der Freiheit Herr, durchbohret von dem Schwerde Das Cäsars Brust durchdrang stürzt Kassius blutig hin Ha! rufet Brutus aus, Ha! sterbender Gefährte Mit Dir stirbt Romas Glück und wahrer Freiheits Sinn Verweile Freund! Bald eilt mein Geist dem deinigen zu In jenem schwarzen Styksumflossnen Land der Ruh. 4 Mit einem großen Blik der eine Erd' umfasset Mit einem Schmerz zu schwer für diese kleine Welt Mit dem Gefühl vor dem die Menschheit scheu erblasset Verweilet Brutus noch im blutgetränkten Feld Er fühlt der Sterbenden weitaufgerißne Wunden Und hört im Geiste schon von Rom die Trauer kunden. 5 Verlaßt mich spricht er jezt verlaßt mich ihr Getreuen Entflieht der Sclaverei, sucht euch ein Vaterland Allein nur kan ich mich der Schicksalsgöttin weihen Zufrieden wohin auch ihr strenger Ruf mich bant Doch wählt ich zwischen meinem Fall und jener Siegen Weil lieber würd' ich für die Freiheit unterliegen. 6 Ein stummer Abscheid trent ihn schmerzlich von den Freunden Und traurig schweigend eilet er ins nächste Thal Von allen tausenden die sich ihm sonst vereinten Sind zwei gesinnt mit ihm zu sinken gleichen Fall Ergeben bis zum Tod und ewig treu dem Kühnen Bis an des Orkus schwarzumhülltes Thor zu dienen. 7 Noch zögert Brutus denn noch einmal will er leben Im lezten Augenblik des Lebens schweren Traum – Weh ihm! mißlungne Mühen, Zweifel Schmerzen schweben Wie Furien um ihn im öden wüsten Raum In dieser Stunde weichet des Bewußtseins Frieden Und ihn umzischt die gräßlichste der Eumeniden. 8 Und doch des eigenen Schicksals ehrner Griffel gräbet In seine große Seele solche Wunden nicht Daß was so zehrend ihm im starken Busen bebet Ist, daß er nimmer nun der Römer Ketten bricht Auf seinem Grabe wird die Tiranei regieren Der Freiheit Genius auf ihren Trümmern irren.