Das Vaterland Wir schwebten mit vollen Segeln Durch grüne Meeresfluth, Ein buntes Wandervölklein, Mit leichtem frohem Muth! Ein Völklein, wie es heute Der Wind zusammensät, Und wie er's morgen wieder Flink auseinander weht. Da war ein Mann aus Frankreich, Vom grünen Rhonestrand; Goldsaaten, Rebenhügel Nannt' er sein Vaterland. Ein Andrer pries als Heimat Des Nordens Felsenwall, Die Gletscher Skandinaviens, Die Seen von Kristall. Dort wo als ew'ger Leuchtthurm Vesuv, der hohe, glüht, Stand eines Dritten Wiege, Von Lorbern überblüht. In deutsche Eichenforste, Auf grünen Alpenhang, Zu frischen Au'n der Donau Zog mich des Heimwehs Drang. »Laßt hoch die Heimat leben! Nehmt All' ein Glas zur Hand! Nicht Jeder hat ein Liebchen! Doch Jeder ein Vaterland!« Und Jeder trank den Becher Mit flammendem Antlitz aus; Nur Einer starrte schweigend Weit in die See hinaus. Ein Mann war's aus Venedig, Der sprach in sich hinein: »Mein Vaterland, o Heimat, Du bist nur Wasser und Stein! Einst glomm der Freiheit Sonne, Da lebt' und sprach der Stein, Und tönte, wie Memnon's Säule, Ins Morgenroth hinein! Da wogte glühend das Wasser, Mit Purpur gürtend die Welt, Und Regenbogen schleudernd Hinauf ins Himmelszelt! Warum bist du erloschen, Du schöner Sonnenschein? Warum bist du, o Heimat, Jetzt Wasser nur und Stein?« Er schwieg und starrte lange Aufs Meer hin unverwandt, Und, unberührt noch, glänzte Das Glas in seiner Hand. Jetzt, wie zum Todtenopfer, Goß er's hinab ins Meer! Wie funkelnde Thränen stoben Die goldenen Tropfen umher.