Venedig Wäre dies die freudenreiche, Stolze Meereskönigin, Mit der ernsten Heldengröße, Mit dem leichten, heitren Sinn? Schwarze Gondeln im Kanale Schwankend, ohne Liederklang! Shifferruf nur stöhnt bisweilen Dumpf wie träger Unkensang. Marmorbilder nur bewohnen Die Paläste, hoch gebaut, Und ihr Sinken und Zerfallen Ist darin der eniz'ge Laut. Leer vom Volke steht San Marco, Der Gebete Stoff gebricht! Klagen will es nicht das Völklein, Und zu danken hat es nicht. Am Altar fungirt der Priester, Ohne Ernst und ohne Sinn; Nur damit er's nicht vergesse, Murmelt er sein Sprüchlein hin. Längst zerschellt im Arsenale Fault das alte Dogenschiff, Ach, der eigne alte Hafen Ward ihm Klipp' und Todesriff! Venetianer, sagt, was deuten Dort die hohen Maste drei? Pflanzet ihr als Vogelscheuchen Vor den Dom die Stangen frei? Ei, ihr habt doch keine Saaten! Die ihr hattet, sind verdorrt! Und die allerschlimmsten Vögel Scheuchten sie euch doch nicht fort; Jene Vögel, die die Augen Eurer Freiheit ausgepickt, Ihr das Schlummerlied gesungen, Bis sie sterbend eingenickt. In dem eh'rnen Markuslöwen War einst Leben, Kraft und Herz: Doch der königliche Wächter Liegt nun todt, ein Aas von Erz! Längst begann ja Adlerherrschaft, Seit der alte Leu erlag Unter jenes Frankenadlers Jugendlichem Flügelschlag. Stumm und öde Platz und Straßen Und die Fluthen rings umher, Selbst die Steine reden nimmer Und die Menschen längst nicht mehr! Und doch wüßt' ich einen Zauber, Ja ein Wörtlein nur, gar klein! Spräch's zur rechten Stund' der Rechte Spräng' von diesem Sarg der Stein! Ha, da wirft der Markuslöwe Seine Mähne stolz empor, Schüttelt wieder kühn die Flügel Frei und kräftig, wie zuvor. Dreier Königreiche Flaggen Weh'n von jenen Masten her Und das Lied der Gondoliere Tönt in Chören übers Meer. Horch, es läuten alle Glocken! Weihrauch duftet durch den Dom, Zwischen Orgelklang und Psalmen Jauchzt empor des Volkes Strom. Fenster, Straßen und Balkone Füllt die Menge bis zum Rand, Feierlich im Purpur wallen Doge und Senat zum Strand. Golden schwimmt der Bucentoro Stolz hinaus ins heil'ge Meer. Tausend lust'ge, schmucke Gondeln Tummeln flink sich hinterher. Nieder sinkt der Ring des Bundes Zwischen Erd' und Meeresfluth, Menschenkraft und Elementen, Götterlaun' und Menschenmuth.