Mein Frühlingslied Ich ging hinaus zur blum'gen Au. Da ruhte Braut Natur im grünen Sammtkleid, Im Haar den frischen Kranz, das Haupt entschleiert: Den weißen Schleier hatte sie gelegt Auf ihren Putztisch: jenen alten Gletscher. Man sieht ihr's an, sie harrt des Bräutigams. – Doch ziemt's wohl Bräuten, so mit Fremden buhlen? Es wogt entblößt ihr voller Lilienbusen Mit seinem üpp'gen Rosenknospenpaar; Mit ihren großen lichten Blumenaugen Liebäugelt sie ringsum und wirft muthwillig Mir Dutzende von ihren Liebesbriefchen, Den weißen Blüthen, scherzend in den Schooß. Mir war ganz wohl, klar stand's in meinem Sinn, Daß man wohl glücklich kann auf Erden sein. Ich wallte in der blum'gen Au. Da saß der junge Lenz an einer Quelle, Ich sah, er rüstet sich zur Braut zu gehn; Ins sonnenstrahlige Gelocke hat Ein blitzend Diadem er aufgedrückt, Er wusch das reine, klare Antlitz sich Und überspritzte schäkernd dann auch mich Mit Quellenschaum vom Wirbel bis zur Zehe. Doch, zur Entschäd'gung gleichsam, brach er drauf Rasch eine Hand voll Perlen aus der Kron' Und warf sie mir zu Füßen in das Gras. Ich war so heiter, fast schien mir's ein Traum, Da man auf Erden elend könne sein. Ich wallte heim aus blum'ger Au. Das Brautpaar war sich an die Brust gesunken. – Ich zog, das Herz voll Lust, den Mund voll Lieder, Frohlockend heimwärts in die dumpfe Stadt; Da schwebt an mir vorbei ein liebend Paar, Zwei und doch Eins! wie sich zwei Nachbarstämme In Kron' und Wurzeln in einander ranken. Wollt ihr das Glück sehn; seht in ihre Augen! Wollt ihr die Freude schau'n: schaut ihre Wangen! Sucht ihr die Liebe: horchet ihren Lippen! – Doch seltsam, jetzt erst fühlt' ich's, daß auf Erden Man elend auch, recht elend könne sein!