1. Novara 1849. Der einst die Trommel fröhlich schlug In Kämpfen und Gefahren, Jetzt sitzt tiefsinnig er beim Krug, Ein Greis in Silberhaaren. Dort rauscht die Enns. Ein Apfelhain Umblüht den düstern Alten; Nur Heit'res rings, doch trüb allein Auf seiner Stirn' die Falten. Am Heerd des Sohnes ruht er aus, Von Enkeln hold umgeben, Schön ist das Land, fast reich das Haus, Für Andre welch ein Leben! Verschlossen bleibt sein strenger Mund; Doch wer ihn bringt zum Sprechen, Der hört aus tiefstem Felsengrund Die dunkle Quelle brechen; Der ahnt: dieß Haupt gebeugt von Scham Wird nie in Lust sich heben, Und diese Brust bewohnt ein Gram, Der flieht nur mit dem Leben. – Nun lauscht der Greis: mit freud'gem Klang Durchs Haus viel Stimmen schallten, Ein Krieger plötzlich ihn umschlang Und lag im Arm des Alten. Sein ält'ster Enkel ist's, bestaubt Vom Marsch aus fernen Reichen, Geschmückt, – drum trägt er stolz das Haupt, – Mit goldnem Ehrenzeichen. Der junge Korporal doch spricht Im Ton des Feldmarschalles: »Großvater, hängt den Kopf mir nicht, Das Schwert gewann uns Alles! Ich komme von Novaras Feld, Das uns bekränzt als Sieger; Das Eisen bleibt der Herr der Welt, Als Zepter führt's der Krieger.« Des Alten Blick mißt die Gestalt Des waffenstolzen Knaben; Sein flüchtig Lächeln ist gar bald Im Furchengrund begraben: »Ließ't ihr vom Eisen etwas noch Für Pflug und Gartenmesser? Und trüg't das Haupt ihr minder hoch, Traun, mir gefiel' es besser. Ob echt und recht ein Kriegerherz, Befrag' erst Unglücksloose! Aus dunklem Schacht steigt helles Erz, Aus schwarzem Grund die Rose. Was hier dein goldner Pfennig spricht, Ich lob's: du standst in Ehren! Wer siegte mit Radetzky nicht Genüber Sardenheeren?! Doch komm, ich will ein Gegenstück Im wirren Schlachtenreigen, Will andern Feind dir, andres Glück Und andre Führer zeigen.« Des Alten Stübchen wohnlich traut Bewahrt in goldnem Rahmen Ein Feldherrnbild; doch Oestreich graut Noch heut vor diesem Namen. »Ein Blinder,« so erklärt der Greis, »Der lahm vom Hauch der Schlange, Zermalmt von ehrnem Schuppenkreis! Uns riß zum Untergange! Ein Feldherr, der dem eignen Heer Einflößte Todesschrecken; Der Männern einst in blanker Wehr Gebot: die Waffen strecken! O Ulm, du hast die Schmach gesehn, Den Tag, verhüllt von Schande! Des dunklen Schleiers Schatten stehn Noch schwarz ob unserm Lande. Vom Michelsberg sahn stolz herab – Noch heut fänd' ich die Stelle, – Der Frankenkaiser und sein Stab, Die Garden und Marschälle. Vom Frauenthor schon rückten an Dort Oesterreichs Kolonnen, Doch zähneknirschend Mann für Mann, Die Brust von Scham umsponnen.« »Kopf hoch!« gebot ein General, »Brust vor!« hört' ich ihn sagen, »Der senken sollt' sein Haupt zumal, Die Brust in Reue schlagen. Die Trommeln klangen hohl und dumpf, Gern wollt' ich meine missen; O hätt' die Kugel mir vom Rumpf Zuvor die Hand gerissen, Bevor auf jenes Männleins Wort Ich ließ das Zeichen schallen, Daß zwanzigtausend Tapfern dort Vom Arm die Waffen fallen! Im Feld jetzt mußten sie zu Hauf Gewehr und Säbel legen, Trompeten dann und Trommeln drauf, Den Küraß auch und Degen. Als so die Wehr von Oesterreich Sank vor des Korsen Tritten, Mir war's, als ob sie mir zugleich Vom Leib die Arme schnitten. Und als ich zu der Trommeln Wust Die meine warf mit Grimme, Mir war's, als sei aus meiner Brust Verbannt die eigne Stimme. Als ab das Reitervolk dann saß Und Fremden ließ die Zügel, Der Siegesgöttin Austrias Gebrochen war der Flügel. Die Fahnen senkten staubwärts sich; Mir war's: als ob dem Heere Die eigne starke Seel' entwich', Des Herzens Herz: die Ehre. Da ging durchs waffenlose Heer Die große Weihestunde, Ein heil'ger Eid lag racheschwer Auf graunhaft stummem Munde. Und leuchten schon am Tag der Schmach Sah ich ein fern Gewitter, Als Mancher sein Gewehr zerbrach, Den Degen schlug in Splitter; Als Grimm und Haß und Scham und Groll Den Funken glimmend fachte, Der dann zur Gluth in Aspern schwoll, In Leipzigs Donnern krachte. Drum ehr' ich jenen Mann im Bild In eigner Art als Retter, Dieß dunkle Blatt Geschichte gilt Mir hundert licht're Blätter.«