6. Dort im zweitausendjähr'gen Schilderhause Vor'm Thor Pompeji's lehnt ein morsch Gerippe; Den Speer hält noch die Knochenfaust! Welch grause, Mißlungne Posse auf des Todes Lippe! In der Livrey bourbon'scher Lilien schreitet Dabei ein neuer Wächter auf und nieder; Des Römers Sanduhr, den er ablöst, gleitet Auch ihm und mißt des trägen Tages Glieder. Und zu dem knöchernen Kam'raden spricht er: »Ob sie dich All' auch Bild der Treue nennen, Ich kann in dir, du Armer, den Berichter Von tausendjähr'gem Narrenthum nur kennen! Ei, meintest du die Vaterstadt zu schirmen? Die Katapulte des Vesuvs zu hemmen? Die Gluthgeschwader, die, den Wall zu stürmen, Er niederbrausen ließ, zurück zu dämmen? Auch ich bin einst in Waffen schon gestanden, Der Freiheit Banner rauschte auf mich nieder! Durch der Abruzzen grüne Thale wanden Wie weiße Mauern sich der Deutschen Glieder. Als Wall des Vaterlands den Kugeln allen Wollt' ich die freie Brust entgegentragen, Ei, hätte nur in nahen Waldeshallen Nicht eine Nachtigall so schön geschlagen! In ihre Reihn, hoch in der Faust den Degen, Wär' ich gestürzt, von Todesmuth entglühet, Ei, hätte nur hart neben meinen Wegen Nicht eine Rose gar so schön geblühet! Die Trommeln wirbeln, und die Fahnen wehen; Ja herrlich ist's, im Feld des Ruhms zu sinken! Ei, hätt' ich nur die Traube nicht gesehen So schön und voll an grüner Hecke winken! Das Leben ist das Schönste doch im Leben! Drum rett' ich dir, Italia, das meine! Und sieh, auch dankbar sind die lieben Reben, Die Nachtigallen und die Rosenhaine!« Er sprach's, doch hält den Speer noch ohne Wanken Der tausendjähr'ge Wächter ihm entgegen! So ein Geripp' mag eigene Gedanken Von Reben, Rosen, Nachtigallen hegen.