Lubomirski Schweigend durch der Straßen Leere Zog Fürst Sobieski ein, Der zerstäubt der Türken Heere, Treues Wien, dich zu befrei'n! Schweigend Polens Edle zogen, Hoch zu Roß um ihren Herrn, Wie ein farb'ger Regenbogen Um den hellen Abendstern. Trüber Sieg voll Bruderleichen! Perle, deren Taucher sank! Erntefest nach Hagelstreichen, Ohne Lied und Tanz und Schwank! Schweigend reiten die Genossen: Nur den Winkeln eines Munds Will schon Lust und Scherz entsprossen, Frühe Blumen üpp'gen Grunds! Lubomirski war der Reiter, Dessen Auge nie geweint, Immer wolkenlos und heiter, Wie die Sonn' im Süden scheint. Jeden Schmerz konnt' er verscheuchen Durch ein lustig Zauberwort, Wie das bleiche Haupt der Leichen Man mit frischem Kranz umflort. Jedem Unheil konnt' er wehren, Froher Sinn es sanft bezwang, Wie zum Tanz den Grimm des Bären Wandelt der Masurka Klang. Er begrüßt die wohlbekannten Straßen rings, die Hochschul' dort, Der ihn einst die Eltern sandten Als der Weisheit sichrem Port. Und er ward ihr treu'ster Jünger, Doch, wie's eben kommen mag, Auch des Tanzsaals bester Springer, Erster Zecher beim Gelag. Aber jetzt rings Trümmermassen, Schutt und Asche, blutbenetzt, Blickend über Plätz' und Straßen Spricht der Polenjüngling jetzt: »Schönes Wien, wie arg zerschossen! Fast zu kennen bist du nicht, Wie wenn Pockengift durchsprossen Eines Bräutchens hold Gesicht. Leer an Gästen deine Schenken, Frohsinns Tempel schön'rer Zeit! Ungestört in leeren Bänken Lehnt jetzt Göttin Einsamkeit. Statt des feurig goldnen Nasses Mild erwärmend Herz und Leib, Quillt aus dem Versteck des Fasses Jetzt der Wirth mit Kind und Weib. Weinlaubkranz! An leere Fässer Sei kein Durstiger geneckt! Zierst mein junges Haupt viel besser, Das manch lust'gen Gast dir heckt! Fiedler, Pfeifer, Lautenträger, Laßt ihr ohne Klang uns ziehn? Zitherspieler, Hackbrettschläger, Lustig Volk, wo seid ihr hin? Manches Stücklein auf den Schanzen Aufzuspielen frisch es galt! Drum, käm' heut uns Lust zu tanzen, Fehlt' uns manch ein Spielmann bald. Wo ein Musikant begraben, Strauchelt jeder Fuß im Troß; Wirft nur drob nicht in den Graben Sprüchwortskundig mich mein Roß! Göttlich war's, zu schwärmen nächtlich Diese Straßen aus und ein, Sich halb taumelnd, halb bedächtlich Vollern Lebensquells zu freun! Wer mag jetzt bei Nacht durchwallen Dieses Friedhofs Schutt und Stein, Arm und Bein sich dran zerfallen Und die Nase rennen ein? Hohe Schule, deine Hallen Sind gesperrt, verrammelt gar, Thatest nie mir den Gefallen Sonst, als eben recht mir's war! Nehmt, ihr grasbewachs'nen Thüren Oeden Säle, meinen Gruß! Wo Karthaunen laut dociren, Wohl die Weisheit schweigen muß. Musensöhne, statt zu plagen Euch da drinnen mit Latein, Habt ihr euch gut deutsch geschlagen Draußen auf dem Wall im Frei'n! Dort zum vierten Stockwerk lange, Doch umsonst mein Auge blickt, Ob, wie einst, vom Fensterhange Lieblich nicht mein Röslein nickt? Steil zu klimmen war's zur Rose, Blühte etwas hoch, fürwahr! Ei, es war die schöne, lose Wohl ein Alpenröslein gar! Mußt' ihr zart Gesicht erblassen? Schmückt sie eine andre Au? War der Sturm, der diese Straßen Durchgefegt, ihr nicht zu rauh? Schönes Wien, leg' ab die Trauer, Nicht zum Weinen taugt dein Blick! Trag' auf deine Trümmermauer Das Panier der Lust zurück! Sangvoll wiegend im Behagen Ueber dir im Sonnenschein Will ich nach so trüben Tagen Deine erste Lerche sein! Deines blätterlosen Haines Erstes Zweiglein, grün und hell, Deines Schutt- und Felsgesteines Erster, freud'ger Springequell!« Also sprachst du, heitrer Pole; Längst vermodert ist dein Herz, Längst schon hob aus Schutt und Kohle Wien das Antlitz sternenwärts. Sieh, voll Rosen auf und nieder Jeglich Stockwerk jetzt und Haus! Denn die Rosen und die Lieder, Heißt es, gehn in Wien nie aus. Straßen blinkend voll Paläste, Keller voll von süßem Wein, Schenken voll Musik und Gäste! Darfst um uns besorgt nicht sein. Doch zur Ferne sieh, nach deinem Armen, schönen Vaterland, Und du lernst im Grab das Weinen, Das du lebend nie gekannt.