Ein Baum Im Tuileriengarten Blüht ein Kastanienbaum; Die Brüder aller Arten Umfängt noch Wintertraum. Eh' ihre Knospen sprangen, Rauscht seine Blätterkron'; Eh' sie mit Laub behangen, Prangt er in Blüthen schon. So trägt der Auserkorne Das Lenzpanier voran, Daß er zur Folge sporne Den grünen Heeresbann. Ich lehnt' einst an dem Baume Der mir zu Herzen sprach, Und sann im Schattenraume Dem Blüthenräthsel nach. Mich wollt's der Geister mahnen, Die schon zum Licht erwacht, Als auf der Menschheit Bahnen Noch lag des Wahnes Nacht; Ich dachte der Erkornen, In denen längst geblüht Was jetzt uns Spätgebornen Nachlenzet im Gemüth. – Da schritt mit seinem Sohne Des Wegs ein Edelmann, Sah still zur Wipfelkrone Und sprach zum Jungen dann: »Hut ab! Ein Denkmal ragen Siehst du der Schreckensnacht, Da Meuter hier erschlagen Die treu'ste Königswacht. Weil von so edlen Leichen Gedüngt der heil'ge Baum, Muß er vor Seinesgleichen Der erste blühn im Raum.« Ihm folgten Wandrerschaaren In Blousenhemden nach; Ein Werkmann hoch in Jahren Zu den Genossen sprach: »Hier haben sie verblutet Mit Schergen im Gefecht, Die Männer freigemuthet, Für ihres Volkes Recht. Von solchem Thau begossen Wird fruchtbar jeder Grund, Drum muß der Baum auch sprossen Der erste weit im Rund.« – Ich horchte ihren Reden Und sah das Widerspiel, Als in die alten Fehden Die junge Blüthe fiel. Sie wähnen jede Ader Des Baumes übervoll Getränkt mit ihrem Hader, Mit ihrem Zwist und Groll; Doch er, – o mildes Tauschen! – Er läßt ihr zürnend Weh Im Blätterkranz verrauschen, Verwehn im Blüthenschnee. Verrausche und verwehe So unser Leid und Streit! Den Blüthenkranz nur sehe Davon die Enkelzeit.