Gneisenau in Erfurt Die Trommel will dröhnen und flattern die Fahn', Der Mörser will donnern vom Wall, Denn Erfurt, die Veste, soll heut' empfahn Den greisigen Feldmarschall. Wie glänzen in Waffen Mann und Pferd! Wie sprengt ihm entgegen der Stab! Denn grün ist sein Lorber und scharf sein Schwert Und mächtig sein Marschallstab. Die Priester, die Bürger in festlicher Tracht, Sie huldigen all' ihm gern, Der weise im Rath, ein Tapfrer der Schlacht, Und gut im innersten Kern. Da lächelt gar fein Held Gneisenau, Winkt freundlich die Herrn zurück: »Erlaßt mir Fanfaren und Truppenschau, Vergönnt mir ein stilleres Glück! Ein Glück, wie da ich hier wandeln ging Als Bürschlein gering und klein, Und nannte im weiten Weltenring Ein Buch und ein Herz nur mein. Will's halten wie einst als armer Student, Da die Kneipe dort mein Palast, Will laden zu fröhlichem Burschenkonvent Nur Kommilitonen zu Gast. Laßt Fahnenschwung und Trommeln sein, Und Mörsergruß vom Wall; Den alten Studenten läute nur ein Verbrüderter Becherschall!« – – Im Schenkhaus sitzt er, zur selben Stell, An demselben langen Tisch, Wo einst mit ihm manch flotter Gesell Gezecht und gesungen frisch. Jetzt sind's der Häupter nur drei bis vier! Der Tisch, wohin er auch blickt, So leer und lang, daß sein Ende schier Hinaus bis zum Kirchhof rückt. Und diese Genossen, wie andrer Stoff! Der Eine, dem Lust und Gesang Sonst wie dem Zeisig vom Schnäblein troff, Schweigt wie ein Karthäuser bang. Der Andre, der sonst den Humpen nicht fand, Der bauchig genug ihm sei, Er nippt nur scheu von des Glases Rand, Wie ein Kind die bittre Arznei. Und blickt er zum Dritten, dem Bruder der Braut, Die er im Tode verlor, Umflattern sein Aug', zu Nebeln ergraut, Brautschleier und Trauerflor. Da rief der Mund, dem die Heere im Streit Gehorcht und die Donner der Schlacht: »Herauf, o du goldene Jugendzeit, Und übe die Wundermacht!« Und wie er sein »Feuer!« einst kommandirt, Jetzt klang es fast ebenso: »Ihr alten Bursche, stoßt an und schmollirt! Singt ein Gaudeamus froh!« Gehorsam beugen sich auf sein Geheiß Die Stirnen gefurcht und fahl, Es schließen um ihn den Bundeskreis Die Häupter ergraut und kahl. Doch als das Gaudeamus begann, Es klang wie ein Requiem heut; Und als sie die Becher stießen an, Da scholl es wie Grabgeläut. Das Wort, das gesiegt im Zauberschwung Bei Kolberg und Waterloo, Ach, diese Juvenes macht es nicht jung Und ihr Gaudeamus nicht froh! Sein Schwert ist scharf und sein Lorber ist grün, Sein Marschallstab herrscht weit, Doch weckt er nicht die Verblühte zum Blühn, Die Rose der Jugendzeit. Da senkt er das Haupt, sein Blick voll Leid Ruht auf dem Glaspokal; Er hat in dem Bild der Vergänglichkeit Erkannt die sinnige Wahl. Denn unverletzt steht vor dem Greis Das nämliche Römerglas, Aus dem er einst trank im Jugendkreis Und Welt und Sorge vergaß. Der Thron und das Schwert des Gewaltigen brach, Und Jugend und Kraft, ihr fiel't, Derweil dieß Gefäß so gebrechlich und schwach Viel treuer und fester hielt. Vom Staub des Alters bewahrt sich's rein, Die Quelle scheuert es blank; O spülte so weg der quellende Wein Was trüb auf die Seelen uns sank! In Flammen ward es geklärt und hart Wie Heldenherzen wohl auch; Ward wie der Ruhm so spröd und so zart, Zu trüben von einem Hauch; In Splitter zerbräch's ein leiser Ruck; Doch dauert's euch zum Neid, O Myrtenkranz, o Lorberschmuck, O Rose der Jugendzeit! In Wehmut das unbestechliche Verhängniß der Greis ermaß, In zitternder Hand das gebrechliche Und doch so feste Glas. Wie Glockenton, wie Rosenduft Verweht es leis' und fern; Zu seinen Füßen dämmert die Gruft, Zu Häupten ihm funkelt ein Stern.