Seemärchen Schon glänzt der Mond im Meeresplan Noch fern ist das Schiff vom Hafen! Die Mitternacht bricht mählich an, Die Passagiere schlafen. Die Wacht am Maste schielt hinein In Mond und Sternenkreise, Bis überblendet vom Strahlenschein Das Aug' sich geschlossen leise. Der Steuermann belauscht zuviel Des Meeres Plätschern und Klingen, Bis ihn die Wellen mit listigem Spiel In Schlummer hinübersingen. Der Kapitän guckt auch zu tief Ins Glas nach Ankergründen, Bis er ganz sanft im Herrn entschlief, Bevor er sie konnte finden. Weh dir, verlass'nes armes Schiff! Weh allen Passagieren! Wer wird durch Sandbank, Sturm und Riff Euch nun zum Hafen führen? Da nahm eine lose Welle das Wort: Ihr Schwestern, was kann's verschlagen! Wir schieben zum Spaß am Schifflein fort, Laßt sehn, wie weit wir's tragen? Da dachte Boreas: Fast ist's Zeit, Zu ruhn von dem vielen Bewegen! Will mich einmal gemächlich breit Zur Rast in die Segel legen. Hei, wie das Schiff durch die Fluthen schoß, Getrieben von Wind und Wellen! Doch weh, nun geht's auf den Felsen los, Hilf Gott, nun muß es zerschellen! Den Blinden und Lahmen im Wege pflegt Zu weichen ein Mann von Sitte! So denkt der Felsen und bewegt Zurück sich um sechs Schritte. Vorbei das Schiff durch die Fluthen schoß, Getrieben von Wind und Wellen; Doch nun geht's grad' auf den Hafen los, Nun wird's an der Küste zerschellen! Den Ankern ward es zeitlang fast, Die müßig am Borde hingen; Da sagte einer: Ihr Brüder, laßt Zum Bad' ins Meer uns springen! Gesagt, gethan! Er hüpft vom Bord! Das Volk im Schiff erwachte; Sie lagen vor Anker mitten im Port! Wie freundlich das Ufer lachte! Sie stiegen ans Land, gar inniglich Entzückt von des Schiffs Regierern. Gott wolle meine Freund' und mich Bewahren vor solchen Führern! Doch woll' er meinen Freunden und mir Solche Wellen und Winde geben, Und solche Felsen und Anker dafür, Zur See und auch im Leben!