Eine Jahresfeier Am 29. November 1844. Man hat einmal, besonders in Deutschland, für Polen geschwärmt .... Man sah das Unglück eines Volkes und vergaß die Ursachen, die es herbeigeführt. Amis, entendez les cloches, Qui par leurs sons gémissans Nous font de bruyans reproches! Durchbohrt von Russenspeeren, Preußenblei, Fiel einst Kosciuszko mit dem Schmerzensschrei Auf bleichem Mund: Finis Poloniae! Sein hoffend Volk doch rief im herbsten Weh: Nein! Noch kann Polen nicht verloren sein! Nein! rief der heut'ge Tag vor langen Jahren, Nein! jauchzten Polens junge Heldenschaaren, Aus tausend Feuerröhren sang es: Nein! Aufs Neu in Warschau rief's der Zwietracht Hyder Kanonen und Ukase hallten's wider Im Donnerchor: Finis Poloniae! Nein! knirschten die versprengten Polenschaaren, Nein! zürnten wir, vertraut mit ihrem Weh, Als unser Land sie sah ins Elend fahren. Paris, du Märchenwelt im Alltagsschimmer, Du nahmst sie auf, du wardst der Tempelhort, Der flücht'ge Schätze birgt aus Süd und Nord, Zerrißne Volkspaniere, Kronentrümmer; Du wardst die Retterin aus Sturmesfluthen, Die Arche, deren sichern Raum betreten Gestürzte Zwingherrn, neuer Zeit Propheten, Wie dort einst Lamm und Leu beisammen ruhten; O laß' bei dieses Tages Morgengrauen Das Pilgervolk im Festgewand mich schauen! Horch, von Saint Roch bekannte Glockentöne! Ein Todtenamt! In Trauerkleidern prangen Der Priester und verbannte Polensöhne, Altar und Wand mit schwarzem Tuch umhangen. O schöne Feier! Geisterhände legen Auf der Lebend'gen Häupter ihren Segen; Ein Brudergruß, ein Bundeskuß, entboten Von den Gefallenen in Polens Schlachten Und von den Geistern der Lebendigtodten, Die am Ural und in Sibirien schmachten! Doch nicht vollzählig dünkt mich die Gemeine, Der ragenden Gestalten fehlt manch eine. »Wer nicht mit uns, deß können wir entrathen; Wir sind des Volkes Herz: die Moderaten!« – Und horch, den Seinestrom herüber gleitet Noch Glockenklang! Dem Ruf gehorsam schreitet Ein Polenzug, den Flor um Hut und Herzen; Bei Saint Germain glühn seine Trauerkerzen. Will Glaubenszwist euch in zwei Kirchen spalten, Daß ihr nicht mögt zu euren Brüdern halten? »Was jene sä'n, das sind nicht unsre Saaten; Wir sind des Volkes Arm, die Demokraten!« – Und wieder horch! es ruft die Kathedrale Ihr Glockenwort! Karossen mit Lakaien Und Wappenprunk am gothischen Portale, Drin feine Herrn und Damen schön wie Feyen. Auch Polen hier in dieses Münsters Halle! Fand bei den Brüdern sich nicht Raum für Alle? »Wir wandeln nicht den Pfad, den jene traten, Wir sind des Volkes Haupt, Aristokraten!« – Weh, daß ihr dieses Zucken, dieses Beben Zerhau'ner Schlangenglieder nennt ein Leben! Daß nimmermehr die Gluth von Schmerz und Nöthen Solch herrliches Metall in Eins kann löthen! Drei Glocken eurer Andacht selbst, drei Hallen: O Bild des Heimatlands dreifach zerfallen! Drei Fürsten theilten dieß, – ihr thut noch schlimmer: Ihr theilt und schlagt den Herrgott schier in Trümmer! Am Dom vorbei schwebt, ungesehn vom Trosse, Ein Reitersmann auf schwarzem Geisterrosse; Säh' ihn ein Polenaug', er wär' erkannt! Die Züge streng, altfränkisch sein Gewand, Der Blick voll Trauer, grau sein Lockenhaar; Die Falten eines Bauernmantels fließen Um blanke Waffen, die noch Blitze schießen. Auf seiner Faust sitzt Polens weißer Aar, Wie Königsfalken auf dem Jägerarme, Gesenkten Hauptes doch, in tiefem Harme. Kosciuszko ist's! – Jetzt bricht der Held das Schweigen Und schwingt die Hand und läßt den Vogel steigen: »O diese Freien werden dich nicht retten! Flieg' auf! und suche Retter, die in Ketten! Zieh' über Warschaus Thürme deinen Reigen, Frag' in der Krone Polen alten Ländern Die Fesselträger hinter Kerkerpforten Und die Gefangnen auch in seidnen Bändern, In goldnen Ketten und in Schmeichelworten! Ins Schreckenland von Eis dein Flügel wehe, Und in die Gruben, in die Wüsten spähe! Und schmiedet dort in Eins dasselbe Erz Uur Polenhände, nicht das Polenherz, Dann fahre wohl! Erfüllt ist alles Weh Des Schmerzenrufs: Finis Poloniae! «