Ein Dichterhaus Dort steht das Haus, der schlicht'sten eins im Orte, Die sich wie Kriegerreihn an Haltung gleichen; Nur trägt's die Marmortafel ob der Pforte, Wie eine Heldenbrust das Ehrenzeichen. Ein kahler Ziegelbau mit Riegelwänden Und steilem Giebeldach nach Landessitte; Dir aber ist's, als ob an allen Enden Ein milder Glorienschein den Bau umglitte. Gemeines Weinlaub will zum Simse klettern, Der Mauern Risse doch verbirgt's in Ranken; So wird's zum Lorber, schön mit heil'gen Blättern Am Haupt umhüllend Furchen der Gedanken. Das Holz der Treppen, ausgetreten, enge, Beschämt den Marmorbau vor Tempelhallen; Wo gäb's so edler Waller fromm Gedränge, Wie hier vor uns empor und nach uns wallen! Wir treten ein. Uns will's die Brust umschnüren, Als ob wir bang im Saal des Königs ständen; Andacht und Demut will das Herz uns rühren, Als ob wir uns in Gottes Kirche fänden. Wir stehn am Pult, wo Er gedacht, gedichtet. All' was des Schönen, Großen er gesonnen, Hat übermannt uns jetzt und aufgerichtet, Getränkt, geläutert aus kristallnem Bronnen. Das Schweigen herrscht, wo einst sein Wort geklungen. Mehr als dieß Wort, nicht frei von ird'scher Fehle, Hat uns des Schweigens Geisterbann bezwungen, Und fromm Gelöbniß keimt aus unsrer Seele. Hier dünkt uns doppelt arm jed' ärmlich Streben, Groß können Wen'ge, gut sein kann der Kleinste; Des Ortes Weihe adelt uns das Leben, Wie sie geadelt hier selbst das Gemeinste: Der Tropfen, der aus seiner Feder spritzte, Die Spur, die in die Dielen er getreten, Der Strich, den dort er in die Scheiben ritzte, Sie sind uns Feuerstapfen des Propheten. Selbst hier das Spinngehäng', – wer möcht' es missen! Uns will der Ueberfleiß der Magd mißfallen, Die weg den Staub gefegt, der – könnt ihr's wissen? Den Sohlen des Unsterblichen entfallen! So wirkt der Todte noch! – »Welch froh Getriebe Umgab sein Leben erst!« – – O thöricht Wähnen! Wohl schritt hier an der Muse Hand die Liebe, Aus sel'gen Träumen stieg ein göttlich Sehnen. Doch hielten Einkehr auch viel dunkle Stunden Und böser Schatten viel an diesem Orte, Die Mißgunst hat den Weg herein gefunden, Die Scheelsucht schlich auflauernd um die Pforte; Die Läst'rung schoß die Pfeile, ihn zu necken, Durchs Fenster her in schadenfroher Wonne; Der Neid fand in der Sonne jeden Flecken, Wie wir in jedem Flecken jetzt die Sonne. – Hier stand sein Bett. Da hab' ich denken müssen Des Wiegenlieds aus fernen Kinderzeiten Von Engelein zu Häupten und zu Füßen, Von Engelein zum Schutz an allen Seiten. O hätten sie bewacht auch seinen Schlummer! Entbehrung, Sorge saßen hier als Gäste, Zu Häupten Unmut und zur Seite Kummer, Krankheit war von den Engeln fast der beste. Doch jetzt! Ein lieblich Wunder will mich's deuchten: Die Harfe brach, – doch tönt ihr Klang noch immer! Der Feuerthurm sank ein, – doch blieb sein Leuchten Und gießt auf Land und Meer noch vollern Schimmer! Es gibt ein sonnig Land, – wir nennen's: Leben, Und eine dunkle Kluft, – wir nennen's; Sterben; Doch dunkel und zerklüftet war dieß Leben, Die Sonnenzeit brach an mit seinem Sterben. Und machtlos wird an diesen heil'gen Stätten Der Sonne Gold mit allen Schmeichellüften, Mit allen Zauberklängen, Blumenketten! – Das Heimweh zieht uns zu den dunkeln Grüften.