438. Dagobert und Sankt Florentius St. Florentius fing jung an, Gott zu dienen. Und er ging aus Schottland, wo er geboren war, in Pilgrimsweise mit vier Gesellen; Arbogast, Fidelis, Theodatus und Hildolf, und kamen zujüngst im Elsaß an die Brüsche (das Flüßchen Breusch), da, wo jetzt Haselo liegt. Sprach Florentius, er wollte dableiben. Also gingen seine Gesellen fürbaß gen Straßburg; er aber baute ein Häuselein bei der Brüsche, dalp (grub) die Bäume und Hürste aus und machte ein neues Feld; dahin säete er Korn und das Kraut nach seiner Notdurft. Da aßen ihm die wilden Tiere das Korn und das Kraut ab. Da steckete St. Florentius vier Gerten um das Feld und gebot allen wilden Tieren, daß sie auf seinen neuen Acker nicht mehr kämen, so fern, als die Gerten gesteckt wären; und dies Ziel überschritten sie seitdem nimmer. In diesen Zeiten hatte König Dagobert eine Tochter, die war blind geboren, dazu stumm; und als er sagen hörte von Florentius' Heiligkeit, sandte er ehrbare Boten und ein Roß mit vergüldetem Gedecke, daß er zu ihm ritte. Der Heilige war aber demütig, wollte das Roß nicht und saß auf einen Esel und ritt zu dem Könige. Noch war er nicht ganz an der Burg, so ward des Königs Tochter sehend und redend und rief mit lauter Stimme, und das erste Wort, das sie sprach, sprach sie also: »Sehet! Dort reitet Florentius her, durch dessen Gnade mich Gott sehend und redend gemacht hat.« Da erschraken der König und die Königin von Wunder und von Freuden, und alles Volk lief aus gegen dem heiligen Manne und empfingen ihn gar ehrwürdiglich und fielen zu seinen Füßen um des Zeichens willen, das Gott durch ihn gewirkt hatte. Der König aber gab die Gebreite (Ebene) und Stätte, wo Florentius wohnte und nun Haselo liegt, ihm zu eigen und auch sein selbes Besitztum zu Kirchheim. Da bat der Heilige noch König Dagobert, daß er ihm sein Ländlein unterschiede (abgrenzte), daß er desto besser möchte wissen, wie weit und breit er hätte. Da sprach der König: »Was du mit deinem Eselein magst umfahren, bis ich aus dem Bade gehe und meine Kleider antue, das soll alles zu dir und deiner Wohnung hören.« Da wußte Florentius wohl, wie lange der König hätte Gewohnheit, im Bade zu sitzen, eilte weg mit seinem Eselein und fuhr über Berg und Tal, viel mehr und weiter, denn einer möchte getan haben auf schnellem Pferde in zweimal so langer Zeit. Und fuhr wieder zum König und kam zeitig genug, wie es beredet worden war. Und nach Arbogasts Tode ward Florentius einhelliglich von allem Volke, Laien und Pfaffen, zum Bischof von Straßburg gewählt.