390. Sage von Gambara 1 und den Langbärten Als das Los geworfen war und der dritte Teil der Winiler aus der Heimat in die Fremde ziehen mußte, führten den Haufen zwei Brüder an, Ibor und Ayo 2 mit Namen, junge und frische Männer. Ihre Mutter aber hieß Gambara, eine schlaue und kluge Frau, auf deren weisen Rat in Nöten sie ihr Vertrauen setzten. Wie sie sich nun auf ihrem Zug ein anderes Land suchten, das ihnen zur Niederlassung gefiele, langten sie in die Gegend, die Schoringen hieß; da weilten sie einige Jahre. Nah dabei wohnten die Vandalen, ein rauhes und siegstolzes Volk, die hörten ihrer Ankunft und sandten Boten an sie: daß die Winiler entweder den Vandalen Zoll gäben oder sich zum Streit rüsteten. Da ratschlagten Ibor und Ayo mit Gambara, ihrer Mutter, und wurden eins, daß es besser sei, die Freiheit zu verfechten, als sie mit dem Zoll zu beflecken, und ließen das den Vandalen sagen. Es waren die Winiler zwar mutige und kräftige Helden, an Zahl aber gering. Nun traten die Vandalen vor Wodan und flehten um Sieg über die Winiler. Der Gott antwortete: »Denen will ich Sieg verleihen, die ich bei Sonnenaufgang zuerst sehe.« Gambara aber trat vor Frea, Wodans Gemahlin, und flehte um Sieg für die Winiler. Da gab Frea den Rat: Die Winilerfrauen sollten ihre Haare auflösen und um das Gesicht in Bartes Weise zurichten, dann aber frühmorgens mit ihren Männern sich dem Wodan zu Gesicht stellen, vor das Fenster gen Morgen hin, aus dem er zu schauen pflegte. Sie stellten sich also dahin, und als Wodan ausschaute bei Sonnenaufgang, rief er: »Was sind das für Langbärte?« Frea fügte hinzu: »Wem du Namen gabst, dem mußt du auch Sieg geben.« Auf diese Art verlieh Wodan den Winilern den Sieg, und seit der Zeit nannten sich die Winiler Langbärte (Langobarden). Fußnoten 1 Diese Gambara ist merkwürdig die Cambra des Hunibald. 2 Bei Gotfr. viterb.: Hibor et Hangio.